Alte Schätze im neuen Licht
Wer mit Dr. Stephan Faust über seine ersten acht Monate an der halleschen Universität spricht, wird beinahe zwangsläufig nicht nur die Ausstellungsräume des Archäologischen Museums sehen. Der Weg führt vom ersten Obergeschoss des Robertinums dann auch unter das Dach. Auf dem Speicher ist einiges gelagert, das nicht ständig im Blick der Öffentlichkeit steht. Das hat unter anderem Platzgründe: Zunächst als Museum geplant, sind in das Haus am Universitätsplatz seit den 1920er Jahren auch andere Institute eingezogen. Hunderte Gipsabgüsse von Skulpturen, Porträts und Götterbildern liegen nun ebenso wie Reliefs und Architekturelemente auf dem Speicher. „Mein Traum wäre, dass das Depot ein Schaudepot ist“, sagt Faust. Weil das aus baurechtlichen Gründen nicht realisierbar ist, sucht der neue Kustos des Museums andere Wege, die Objekte zu zeigen.
Einer ist die zur Langen Nacht der Wissenschaften im Juli eröffnete Sonderausstellung „Im Angesicht der Gottheit. Kultbilder in der antiken Religion“, Fausts erstes großes Projekt, das im Rahmen eines Seminars umgesetzt wurde. „Die Idee war von Beginn an, Studierende einzubeziehen, ausgelagerte Objekte zu reinigen und zu präsentieren“, sagt der 41-Jährige. Kultbilder – Statuen und Skulpturen, die vor allem in Tempeln aufgestellt waren – haben in der Antike eine ungeheure Wirkung auf die Menschen ausgeübt. Herausforderung für die Studierenden sei es gewesen, sich aus unterschiedlichen Überlieferungssträngen, etwa aus antiken Beschreibungen, verkleinerten Nachbildungen oder Abbildungen auf Münzen, ein Bild des ursprünglichen Aussehens und der ursprünglichen Bedeutung der Kultbilder zu verschaffen. Entstanden ist daraus eine Ausstellung, die neben Gipsabdrücken, Münzen und Gefäßen aus den eigenen Beständen auch zwei Leihgaben zeigt: colorierte Stiche von Gold- und Elfenbeinstatuen des Kunstgelehrten Antoine Chrysostôme Quatremère de Quincy (1755–1849), die in der Universitäts- und Landesbibliothek lagern, und ein römisches Mithras-Relief aus der Theologischen Fakultät. Aufgabe der insgesamt 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars „Antike Kultbilder im Kontext“ war es auch, die Ausstellung zu konzipieren, also ihr erworbenes Wissen zu vermitteln. Auf der Grundlage ihrer Essays wird noch ein Katalog der Ausstellung entstehen, die bis zum 12. Dezember zu sehen ist.
Geht es nach Faust, wird es natürlich nicht die letzte Sonderausstellung sein. Eines seiner Ziele sei, die Vernetzung des Museums innerhalb des Universitäts- und Kulturbetriebs in Halle zu steigern, sagt der neue Mann an der Spitze der Einrichtung. Für 2020 hat er bereits eine Idee für die nächste Sonderausstellung. Zwei Jahre später, zum 100. Todestag des einstigen Museumsleiters Carl Robert (1850-1922), nach dem das Gebäude heute benannt ist, könnte es eine größere Schau unter dem Motto „Entdeckung der antiken Welt“ geben. Ein Schwerpunkt unter Fausts Leitung soll auch die weitere Bestanderschließung der Sammlungen im Robertinum sein. Demnächst, sagt er, werden zum Beispiel mesopotamische Keilschrifttexte wissenschaftlich bearbeitet und publiziert. Darüber hinaus spielen für ihn die Digitalisierung sowie die Einbeziehung der Sammlungsobjekte in die Lehre eine große Rolle.
An der Stelle in Halle haben ihn die lange Tradition der Altertumswissenschaften, die Museumsleitung und auch die Anknüpfung an die Lehre gereizt, sagt der gebürtige Niedersachse. „Unsere klassische Lehrsammlung hat eine erstaunliche Bandbreite“, so Faust – inklusive einer Münzsammlung mit 5.000 Exemplaren, deren Bedeutung ihm vorher nicht so bewusst gewesen sei. Was ihn ebenso begeistert: Durch die gute Überlieferung der Geschichte der Sammlungen und ihrer Protagonisten lasse sich nachvollziehen, wie die Archäologie vor allem seit dem späten 19. Jahrhundert zu einem gesellschaftlich relevanten Fach geworden ist.
Der Kustos selbst hat einst über seine Begeisterung für alte Sprachen und ein Schulpraktikum in Osnabrück zur Archäologie gefunden und schließlich Klassische Archäologie und Klassische Philologie in Münster, Oxford (Großbritannien) und München studiert. In München wurde er 2009 auch promoviert. Zu seiner wissenschaftlichen Karriere zählen seitdem Stationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Tübingen, als Juniorprofessor in Hamburg und als Lecturer in Oxford und Cork (Irland).
„Im Angesicht der Gottheit. Kultbilder in der antiken Religion“
bis 12. Dezember 2019
Robertinum, Universitätsplatz 12
geöffnet jeweils Donnerstag 15 bis 17 Uhr und auf Anfrage