„Wir brauchen Orte mit Aufenthaltsqualität“
In der März-Sitzung des Akademischen Senats haben Sie ausführlich über die Liegenschaften der Universität gesprochen und einen Masterplan gefordert. Warum?
Alfred Funk: Wir müssen überlegen, wie diese Hochschule in zehn, vielleicht auch in 15 oder 20 Jahren aussehen soll, welche Bedarfe sie hat. Dazu gehört nicht nur die Frage nach Bauprojekten wie jetzt in der Pharmazie oder der Geobotanik. Wir müssen auch überlegen, wie künftig Lehrräume aussehen sollen. Brauchen wir statt einiger großer viele kleine, weil viel mehr in Kleingruppen gearbeitet wird? Brauchen wir eine andere technische Ausrüstung? Und brauchen wir vielleicht auch grundsätzlich andere Arbeitsplätze, an denen sich Beschäftigte unabhängig von der üblichen Bürostruktur treffen oder arbeiten können?
Was meinen Sie damit?
Zum Beispiel Räume für Beschäftigte, die zwischen den Standorten pendeln. Nehmen wir mal an, Sie arbeiten am Weinberg Campus und haben von 8 bis 10 Uhr einen Termin bei der Rektorin und um 12 Uhr einen weiteren Termin am Uniplatz. Wo können Sie die zwei Stunden dazwischen vernünftig verbringen? In der Mensa? Im Vorraum des Audimax? Oder gibt es so etwas wie einen Gemeinschaftsraum, der nicht nur eine vernünftige WLAN-Verbindung hat, sondern vielleicht eine Kabine, in der man geschützt telefonieren kann? Das alles möchte ich mit einem zweiten Thema verbinden, das mir wirklich sehr am Herzen liegt.
Welches?
Wir brauchen Orte mit Aufenthaltsqualität. Der Uniplatz zum Beispiel ist sehr schön, aber es ist vor allem ein Platz, wo man von A nach B geht. Viel deutlicher wird das in Heide-Süd auf dem alten Kasernengelände, das teilweise einfach Parkplatz-Flair hat. Mittlerweile hat man erkannt, dass ein Campus mehr bieten muss. Es gibt schon Hochschulen, deren Campus eine einzige Sportfläche ist – nicht mit Fußball- und Tennisplätzen, aber mit Möglichkeiten zum Boccia-, Boulespiel, Seilspringen oder mit einem Fahrradparcours. So etwas fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern muss sich entwickeln. Wichtig ist auch, dass Studierende nach Corona überhaupt wieder ein stärkeres Bedürfnis nach sozialen Kontakten haben. Wenn ich möchte, dass sie die zwei, drei Stunden bis zur nächsten Vorlesung nicht einfach nach Hause fahren, brauche ich einen „Zwischenraum“: Er muss warm sein, hell, angenehm. In der Theologie gibt es ein hübsches Beispiel, wo im Durchgangsbereich ein paar Tische aufgestellt wurden und Studierende miteinander reden.
Zurück zum Masterplan: Ganz praktisch – wie soll er entstehen?
Ein Masterplan bedeutet nicht, dass man alles durchdekliniert hat und sich sklavisch daran hält. Aber wir müssen uns Gedanken über eine grobe Richtung und ein, zwei Szenarien für Eventualitäten machen. Darüber würde ich gern mit unserer Abteilung Bau reden. Ich kann mir auch vorstellen, für bestimmte Arbeiten an dem Plan externe Dienstleister einzubinden. Auch in der universitären Baukommission, die wir gerade wieder einrichten, möchte ich das Thema unbedingt einbringen. Insbesondere, wenn man geeignete „Zwischenräume“ entdecken will, braucht es eine breite Einbindung aller Campusakteure. Das bedeutet natürlich auch, dass wir überlegen müssen, wie wir die Studierenden beteiligen können. Aber auch Studierendenwerk und Anrainer wie das Neue Theater könnten von Fall zu Fall Partner bei einer Campusentwicklung werden.
Sie haben im Senat betont, wie hoch die Bedeutung der Infrastrukturplanung ist.
Ja, wenn wir über Ressourcen reden, reden wir gerne über Personal und über Geld. Die Ressource Fläche unterschätzen wir. Wir haben als Universität 6,5 Millionen Euro Mietkosten pro Jahr. Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, dass einige sagen, sie können zusammenzurücken. Ich kann mir auch vorstellen, dass man die freiwillige Abgabe von Mietflächen belohnt. Im Hinterkopf muss man auch haben, dass einige Länder schon heute mit 20 Prozent Homeoffice-Quote rechnen. Das ist natürlich eine sehr einfache Rechnung für ein Bürogebäude. Aber 20 Prozent sind eine Menge Holz, wenn wir das bei der Anmietung einsparen, sind das jährlich schon 1,3 Millionen Euro.
Ein wichtiger Punkt ist auch die gemeinsame Nutzung von Laborkapazitäten. Ich glaube, wir haben an vielen Universitäten gar keinen Überblick über Labore und Geräte. Bei uns haben die Dekane das zwar ganz gut im Blick, aber wir müssen solche Infos noch gezielter einsetzen. Es kann also durchaus passieren, dass ein neuberufener Professor dieses oder jedes Gerät möchte und keinem bewusst ist, dass der Kollege so eines schon hat und das gemeinsam genutzt werden könnte. Das heißt: Wir müssten frühzeitig in den Berufungsverhandlungen die Bauabteilung einbeziehen.
Also Prozesse optimieren … wo wäre das noch möglich?
Das ist mein Lieblingsthema aktuell: die Regelungsflut. Wir brauchen im Moment zehn Jahre und mehr von der Planung von Baumaßnahmen bis zur Schlüsselübergabe. Da ist manches schon fast veraltet – außerdem kostet das alles unglaublich viel Geld. Würde es gelingen, in nur sieben Jahren zu bauen, hätten wir im Zweifel weniger Kostenwachstum und drei Jahre weniger Anmietungskosten an anderer Stelle. Manche Probleme sind hausgemacht durch die immense Regelungsdichte, die im Wesentlichen auf Landesvorschriften basiert. Vielleicht kann man da noch an Stellschrauben drehen, entsprechende Vorschläge haben wir dem Land Ende März gemacht. Und übrigens: Gerade vor Kurzem konnten wir diese Ideen auch direkt dem zuständigen Finanzstaatssekretär näherbringen.
Zurück von den Visionen zur Gegenwart: Wie ist aktuell die bauliche Situation an der MLU?
Aktuell haben wir 185.000 Quadratmeter so genannte Hauptnutzfläche. Die größten Nutzer sind die drei naturwissenschaftlichen Fakultäten und Querschnittseinrichtungen, wie die Universitäts- und Landesbibliothek, das Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen und das Rechenzentrum. Auf 16.000 Quadratmetern Fläche haben wir wegen ausstehender Baumaßnahmen aktuell Leerstand. Insgesamt gibt es einen hohen Instandsetzungsstau. Der Bedarf liegt aktuell bei 32 Millionen Euro. Jährlich haben wir aber nur neun Millionen Euro zur Verfügung. Und da rede ich nur von Instandsetzung, noch nicht von Sanierung oder Modernisierung.
Für letzteres wiederum haben Sie einige Beispiele im Senat genannt.
Aktuell laufen noch mehrere große Baumaßnahmen (siehe „Corona-Verspätungen und nachhaltiges Bauen“, d. Red.), die nicht zu Lasten unseres Haushaltes gehen, sondern gesondert vom Land finanziert werden. Dazu kommen kleinere Maßnahmen, die im Wesentlichen nichts mit Verschönerung zu tun haben, sondern mit Sicherheit, wie bei Brandmelde- und Schließanlagen, oder mit Barrierefreiheit und energetischer Sanierung. Die Herausforderung ist, Themen wie Denkmalschutz, Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und neue Nutzeranforderungen in Einklang zu bringen.
Was macht Ihnen mit Blick auf die Bausituation an der MLU die meisten Sorgen und die meiste Hoffnung?
Sorgen macht mir tatsächlich, dass es in einigen Bereichen keine guten Arbeitsbedingungen gibt. Die meiste Hoffnung beruht darauf, dass wir jetzt einen Denkprozess angestoßen haben – die Bereitschaft dazu hat man im Senat gespürt. Der Masterplan ist eine gewaltige Aufgabe, aber auch hier gilt, was ich in unserem Gespräch zu meinem Amtsantritt an der MLU gesagt habe: Anfangen, Hauptsache anfangen.
Corona-Verspätungen und nachhaltiges Bauen
An der MLU laufen aktuell mehrere große Bauprojekte, die ersten davon sollen noch in diesem Jahr beendet werden. Ein Überblick:
Sanierung Institut für Pharmazie: Die mit 34,5 Millionen Euro veranschlagten Arbeiten sollten ursprünglich bis Ende 2022 abgeschlossen sein. Coronabedingt kam es zu Verzögerungen. Zum einen funktionierten Lieferketten für elektronische Bauteile nicht mehr, zum anderen gab es unter anderen bei Bauholz extreme Preisschübe, die nachträgliche Vergabeverhandlungen erforderlich machten. Aktueller Plan ist, dass das Institut im Frühjahr 2025 wieder bezogen werden kann. Baubeginn war im Mai 2019.
Sanierung Institut für Chemie: Ein Gebäudeteil ist seit Oktober 2023 wieder in Betrieb, der größere Teil der Professorinnen und Professoren kann seitdem am alten Standort arbeiten. Komplett fertig sein sollen die Sanierungsarbeiten voraussichtlich im Herbst 2025. Die Gesamtkosten liegen bei 25,7 Millionen Euro.
Sanierung und Ergänzungsneubau Geobotanik: Die Sanierung des Institutsgebäudes, der Neubau eines Laborgebäudes und eines Herbariums sollten ursprünglich ebenfalls 2022 abgeschlossen werden. Zuletzt hatte ein Wassereinbruch durch Starkregen zu Verzögerungen beim Laborneubau geführt. Das neue Herbarium ist mittlerweile fertiggestellt, der gesamte Komplex kann voraussichtlich zum Wintersemester 2024/25 übergeben werden. Insgesamt werden 27 Millionen Euro investiert.
Neubau eines Sportzentrums: Die Tiefbauarbeiten für das 23-Millionen-Euro-Projekt haben im März dieses Jahres begonnen, für die Baugrube werden mehrere tausend Tonnen Erde ausgehoben. Auf dem Weinberg Campus, Bereich Heide-Süd, entsteht eine Dreifelderhalle mit Zusatzräumen für Sportarten wie Tanz oder Kampfsport und zwei Außensportfeldern. Die Beton-Arbeiten für den Anderthalb-Geschosser sollen im Herbst starten. Das Besondere an dem Bau sind eine Photovoltaik-Anlage über die gesamte Dachfläche und die Tatsache, dass das Sportzentrum mit Erdwärme geheizt beziehungsweise gekühlt werden soll. Insgesamt sind Kosten in Höhe von rund 21 Millionen Euro veranschlagt. Die Fertigstellung ist für 2027 geplant.
Sanierung und Umbau Kühn-Haus: Das seit 2009 leerstehende Gebäude der früheren Landwirtschaftlichen Fakultät soll bis 2029 mit einem finanziellen Aufwand von rund 21 Millionen Euro saniert und umgebaut werden. Erste Vorbereitungsarbeiten laufen, voraussichtlich im Herbst soll ein Planungsauftrag ausgelöst werden. Mit einem Baustart ist frühestens Mitte 2025 zu rechnen.
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