Chinesisch für alle: Erste Lektorin aus China lehrt an der Uni Halle
„No smoking, no shyness – an diese zwei Regeln müssen sich die Studenten in meinen Kursen halten“, sagt Yiying Chen, die aus einer Familie von Lehrern stammt. In ihren zwei Sprachkursen für Anfänger sitzen vor allem Jura-Studenten, die sich für ein Austauschsemester in China vorbereiten wollen oder sich für das Land und seine Kultur interessieren. „Der Fortgeschrittenen-Kurs wird vor allem von Rückkehrern besucht, die bereits in China gewesen sind“, berichtet sie.
"Der kleinste Fehler kann eine Aussage komplett verändern"
Für zunächst zwei Jahre ist Chen als Lektorin von der Pekinger Zentrale der Konfuzius-Institute entsandt worden. Universitäts-Lektoren lehren die eigene Muttersprache sowie Landeskunde. Die Konfuzius-Zentrale finanziert ihr Gehalt, die Uni Halle übernimmt im Gegenzug die Kosten für die Unterkunft.
Chen wollte nach Europa, weil ihr Ehemann zurzeit in Belgien arbeitet. „Von den europäischen Ländern mag ich Deutschland am liebsten“, sagt sie. Dass sie in Halle gelandet ist, sei Zufall gewesen. Hier führt sie jetzt in die Grundlagen der chinesischen Sprache, Kultur und Gesellschaft ein. Zwei Dinge seien beim Erlernen der Sprache besonders schwer: „Die Schrift und der Ton, in dem man spricht – der kleinste Fehler in Tonhöhe, Tonverlauf oder beim Schreiben eines Schriftzeichens kann eine Aussage komplett verändern.“ Mit ihren Studenten übe sie deshalb die tonale Aussprache besonders intensiv. „Denn davon hängt ab, ob sie später in China etwas zu Essen bestellen oder stattdessen aus Versehen sagen: Ich möchte Schlaf“, sagt Chen, die zum ersten Mal in Deutschland ist.
Ihre deutschen Studenten hätten sie anfangs überrascht, erzählt die Chinesin: „Man sagt oft, dass die asiatischen Studenten viel reservierter seien als die europäischen. Aber in Halle waren meine Studenten anfangs ähnlich zurückhaltend.“ Wie man sich in einem Restaurant verhält, welche Tabus und welche Götter es in China gibt - all das sind Fragen, die sie in ihrem Unterricht beantwortet.
Teezeremonien-Meisterin mit Lizenz
Vor allem will sie ein aktuelles und lebendiges Bild von China vermitteln – und zwar nicht allein in ihren Kursen: Yiying Chen hat bereits einen chinesischen Filmabend organisiert und während der Internationalen Woche 2015 ihre Kalligraphie-Künste demonstriert sowie als lizensierte Teezeremonienmeisterin eine Teezeremonie durchgeführt.
In einem ihrer vier Kurse widmet sie sich insbesondere dem chinesischen Recht. Das war der Wunsch von Prof. Dr. Christian Tietje, der am Institut für Wirtschaftsrecht bereits seit neun Jahren einen erfolgreichen Studierendenaustausch mit der Southwest University of Political Science and Law in Chongqing organisiert, an dem sich jedes Jahr 15 deutsche und 15 chinesische Jura-Studierende beteiligen. Gemeinsam mit dem International Office hatte sich Tietje bei der Konfuzius-Zentrale erfolgreich um die Unterstützung durch eine Chinesisch-Lektorin beworben. „Recht und Gesetz - das sind sensible Themen“, räumt Chen ein. Um sich darauf vorzubereiten, kontaktierte sie noch in China einen Richter, der sie durch die Gerichte führte und ihr viel über die Grundlagen der chinesischen Gesetzgebung beibrachte.
Yiying Chen kommt aus Yulin, einer Millionenstadt im subtropischen Südchina, wo es das ganze Jahr über grünt. „Ich genieße die Ruhe hier und versuche, so viel wie möglich zu entdecken“, sagt sie. Bei der Museumsnacht in Halle und Leipzig habe sie sogar versucht, die meisten Angebote zu besuchen. Nicht ohne Grund: Für die 40.000 Leser ihrer chinesischen Heimatzeitung „Yulin Evening News“ füllt sie unter dem Titel „Mein Blick auf Deutschland“ regelmäßig eine ganze Zeitungsseite mit eigenen Fotos und Berichten aus Halle.
„Aber die deutsche Sprache ist eine große Herausforderung“, gibt die Lektorin zu. Bislang verständigt sie sich deshalb lieber auf Englisch. Das funktioniere gut, obwohl nicht jeder hier die Sprache beherrsche. „Alle sind freundlich, so dass es sogar allein über Gesten klappt, die richtige Fahrkarte zu kaufen.“