Das Abendmahl unter der Kuppel und eine Einladung in die USA
Am Ende ist es auch ein Stück Konsumkritik, die Theresa Neumann und Anna Lucia Kampmann in fünf Minuten Film verpackt haben. „Ich habe jahrelang in der Gastronomie gearbeitet und gesehen, was am Abend alles weggeworfen wird“, sagt MuK-Studentin Neumann. Auch in ihrem Film geht es ums Essen – beim eigentlich vorgegebenen Thema „Salz“ habe sich bei ihr sofort eine Assoziationskette gebildet, so die 30-Jährige. In ihrem Kopf entstand das Bild einer Abendgesellschaft wie in Leonardo da Vincis berühmten „Abendmahl“. Im Film wird daraus ein langer Tisch mit sechs Leuten, die sich anfangs noch dem sinnlichen Genuss widmen, dann aber in eine maßlose Völlerei übergehen. Am Ende steht sogar Ekel - inklusive Maden, die über das Essen krabbeln. Neben einer Auseinandersetzung mit Essen als Ausdruck von Stimmungen, einem Spiel mit Emotionen sowie dem Bruch konventioneller Tischregeln sei das Fulldome-Format eine Herausforderung gewesen, sagt Kampmann. Dabei stellte sich die Frage, wie unter Berücksichtigung des Formats eine Darstellung von menschlichen Körpern gelingen kann.
„Salz“, produziert für die Präsentation unter einer Kuppel, kommt ohne Sprache aus. Neben atmosphärischer Musik sind lediglich konstrastierende Geräusche zu hören, vom harmonischen Klirren des Geschirrs über im Essen matschende Hände bis hin zu Atemgeräuschen. Verständnisprobleme sollte es bei seiner nächsten Vorführung also nicht geben: Am Abend des 7. Oktober wird „Salz“ auf dem „Dome Fest West“ in Los Angeles gezeigt, ein Fulldome-Filmfestival und eine Konferenz, die Filmemacherinnen und -macher aus der ganzen Welt zusammenbringt. Und Neumann wird dabei sein, sich anschließend den Fragen aus dem Publikum stellen. Lampenfieber spiele dabei keine Rolle, sagt die Studentin, die ursprünglich aus dem Schauspiel kommt, nach dem Schauspiel-Studium freiberuflich unter anderem an den Landesbühnen Sachsen und dem Schauspiel Leipzig tätig war. „Dennoch ist die Aufregung groß, aber es ist eine positive Aufregung“, sagt sie. Gesteigert vielleicht nur noch dadurch, dass es ihre bisher weiteste Reise überhaupt ist.
Zum ersten Mal aufgeführt wurde der Film, der noch während der Bachelor-Zeit der beiden Studierenden in einem Seminar von Dr. Maren Kießling entstanden ist, im Oktober 2021 auf dem Fulldome-Festival in Jena. Mitte August erhielten Neumann und Kampmann auf ihre Bewerbung hin eine Einladung in die USA. In die Filmhochburg Hollywood. „Alles, was man kennt und mag, wurde dort gedreht“, schwärmt Neumann. Dort zu sein, mit Filmschaffenden ins Gespräch zu kommen – für sie ein Traum. In der Filmproduktion will sich auch Neumann ein zweites Standbein neben der Schauspielerei aufbauen. Aktuell absolviert sie noch ihr Masterstudium an der MLU, während Kampmann als Selbstständige an einem Animationsprojekt arbeitet, bevor sie an der Filmschule Berlin ein weiteres Studium beginnt.
Ihre Geschichte ähnelt der von zwei jungen Frauen, die sich ebenfalls über einen Fulldome-Film ins Gespräch gebracht haben: Pia Mozet und Jenny Kleine. 2019 gewannen sie beim Fulldome-Festival in Jena den Student Award für ihren Kurzfilm „5 Minuten Tod“, in dem sie die biologischen Phasen des Todes auf abstrakte Weise darstellten. Der Film wurde später unter anderem in Hongkong, auf dem Film Festival in Macon (USA) und dem Kurzfilm-Festival „Anim!Arte“ in Rio de Janeiro (Brasilien) gezeigt. „Wir waren total aus dem Häuschen“, erinnert sich Kleine. „Nach Hongkong wollten wir selbst fliegen, aber dann kam Corona.“ Mozet und Kleine arbeiten noch immer zusammen in ihrem schon 2017 gebildeten Filmkollektiv namens „Klemopictures“ – eine Firmengründung ist nicht ausgeschlossen. Ebenso wie jetzt Neumann und Kampmann hatten beide den Film mit Technik aus dem Scidea Lab „IT & Medien“ des Transfer- und Gründerservice der Uni produziert.