Digitaler Start ins Semester mit weniger Geld vom Land

08.04.2021 von Katrin Löwe in Campus
Am kommenden Montag, 12. April, beginnt die Vorlesungszeit des Sommersemesters. Unter welchen Vorzeichen es steht und vor welchen Herausforderungen die Universitätsleitung über die Corona-Pandemie hinaus steht, darüber sprechen Rektor Prof. Dr. Christian Tietje und Kanzler Markus Leber im Interview mit „campus halensis“.
Rektor Christian Tietje (oben rechts) und Kanzler Markus Leber
Rektor Christian Tietje (oben rechts) und Kanzler Markus Leber (Foto: Markus Scholz)

Wie geht die Uni angesichts der Pandemie in dieses Sommersemester?
Christian Tietje: Anders als geplant rein digital. Wir hatten gehofft, hybrid starten zu können. Die Entscheidung haben wir, bedingt durch das gegenwärtige Infektionsgeschehen, zunächst auf den 1. Mai verschoben. Wir müssen sehen, ob wir dann das eine oder andere in Präsenz durchführen können.

Es gibt auch Stimmen, die fragen: Warum kann nicht gleich das gesamte Semester digital stattfinden? Dann könnten sich alle darauf einstellen.
Tietje: Wir wollen das Signal senden, dass Universität zwar sehr viel und sehr gut digital kann, aber dass sie nicht nur digital sein soll. Man sollte sich vor Augen führen, dass ein Bachelor-Studium drei Jahre dauert und wir schon ein Jahr in der digitalen Universität sind…

Wie enttäuschend ist es für Sie, dass es nicht von Anfang an ein hybrides Semester wird?
Tietje: Wir waren realistisch genug zu wissen, dass ein Risiko besteht, nicht in Präsenz starten zu können. Wichtig ist: Wir können jederzeit von digital auf Präsenz umsteigen.

Markus Leber: Außerdem leben wir jetzt seit einem Jahr damit, dass die besten Pläne kurzfristig über den Haufen geworfen werden können. Enttäuschung ist nicht die Emotion, die man damit verbindet.

Nun ist der Semesterstart auch aus anderen Gründen nicht ideal. Die Haushaltssituation ist angespannt. Welche Gründe hat das und was ist zu erwarten?
Tietje: Wir wissen seit mehr als 15 Jahren, dass die Landeszuweisungen nicht ausreichen, um die Universität in ihrer Größe und Struktur zu finanzieren. Wir konnten uns ein wenig durch die Hochschulpaktmittel retten, aber es war klar, dass das strukturelle Problem der Unterfinanzierung wieder zutage tritt. Das ist jetzt der Fall. Uns fehlen durch Entscheidungen der Landesregierung zudem rund 1,5 Millionen Euro jährlich an Langzeitstudiengebühren, es gibt weniger Investitionsmittel und wir müssen die so genannte Corona-Abgabe an das Land leisten. Gleichzeitig gibt es aber coronabedingt auch höhere Ausgaben.

Leber: In den vergangenen Jahren konnten wir regelmäßig Ausgabereste am Ende eines Jahres in das nächste übertragen. Das hat strukturelle Defizite überdeckt. Gleichzeitig standen wir unter politischem Druck, diese Ausgabereste zu senken. Dem sind wir nachgekommen, was zwangsläufig dazu führt, dass irgendwann kein Rest aus dem vergangenen Jahr mehr zur Übertragung zur Verfügung steht. Auch die Corona-Pandemie hat zur Situation beigetragen. Wir hatten im vergangenen Jahr etwa 1,6 Millionen Euro an ungeplanten Zusatzausgaben aufgrund der Pandemie.

Wie hoch ist das Defizit insgesamt für 2021?
Tietje: Grundsätzlich kann man sagen: Die Politik hat entschieden, die MLU pro Jahr mit rund 160 Millionen Euro zu finanzieren. Die Universität ist aber teurer – um ungefähr zehn Millionen Euro.

Und das bedeutet aktuell konkret was? Es ist von einem Einstellungsstopp die Rede.
Leber: Wir haben keinen Einstellungsstopp, sondern eine temporäre Wiederbesetzungssperre. Das heißt, dass bei Haushaltsstellen, die vakant sind und wiederbesetzt werden, eine dreimonatige Sperre besteht. Die Fakultäten haben die Möglichkeit, diese Sperre hin und her zu verschieben, wenn eine Stelle eher wiederbesetzt werden soll als eine andere.

Tietje: Es ist nicht verboten, eine Stelle sofort wieder zu besetzen. Wenn das notwendig ist, muss es aber von der Fakultät oder der zentralen Einrichtung finanziell „abgearbeitet“ werden. Wichtig ist auch: Die Sperre betrifft nur vakante Stellen, nicht die Verlängerung von Verträgen, zum Beispiel bei Qualifikationsstellen oder aufgrund von Eltern- oder Erziehungszeiten.

Wird es darüber hinaus weitere Einschnitte geben?
Leber: Wir werden in der nächsten Senatssitzung eine Kombination von Maßnahmen vorstellen und diskutieren. Die wichtigste ist, dass über alle Bereiche verteilt voraussichtlich vier Prozent weniger ausgegeben werden darf.  

Tietje: Ein zweiter schmerzhafter Brocken wird sein, dass wir Zuweisungen an die Universitäts- und Landesbibliothek für die Anschaffung von Monografien in diesem Jahr nicht mehr geben können.

Vor wenigen Tagen ist mit dem Land die Vereinbarung zum „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ unterzeichnet worden, der den Hochschulpakt fortführen soll. Inwiefern kann er helfen, Defizite auszugleichen?
Tietje: Die Intention des Zukunftsvertrags ist, die Hochschulen zu stärken. Wenn man eine Unterfinanzierung ausgleicht, ist das noch lange keine Stärkung. Dazu kommt: Der Grundidee, dass der Bund einen Betrag gibt, den die Länder in gleicher Höhe gegenfinanzieren, wird in Sachsen-Anhalt – wie in anderen Ländern auch – nicht entsprochen. Sachsen-Anhalt finanziert nicht gegen, sondern rechnet gegen. Argumentiert wird, dass die Hochschulen wegen der Haushaltslage des Landes in den nächsten Jahren einen Kürzungsbetrag erbringen müssten und das dann in Zukunft nicht umgesetzt wird.

Leber: Die Einsparungen, auf die das Land verzichtet – wir reden von zehn Millionen Euro im Jahr für die MLU – wären politisch und praktisch gar nicht durchsetzbar. Das Land setzt sie dennoch als Eigenanteil an. Letzten Endes kann der Zukunftsvertrag uns die Verstetigung und Fortschreibung von Strukturen ermöglichen, die wir bisher aus dem Hochschulpakt finanziert haben. Er eröffnet keine neuen Spielräume.

Welche Aufgaben liegen damit jetzt vor der Universität?
Tietje: Wir brauchen effektivere Personalstrukturen, müssen Infrastruktur effektiver betreiben und uns Gedanken machen über die Breite unseres Angebotes. Dazu werden wir zeitnah Vorschläge vorlegen.

Leber: Wobei es nicht darum geht, Fächer zu streichen, sondern darum, wie wir mit Ressourcen effizient umgehen können. Das ist anspruchsvoll und wird nicht mit einer Musterlösung über die gesamte Universität funktionieren.

Das klingt nicht nach Feierstimmung. Wie steht es um Ihren Optimismus?
Tietje: Wir müssen eine erfolgreiche Uni strukturieren – und sind überzeugt davon, dass wir das können. Wir werden dafür kämpfen, dass wir besser finanziert werden, dass Geld nicht in unnütze Ressourcen wie eine Pädagogische Hochschule gesteckt wird und dass wir mehr aus dem Cent, den wir bekommen, machen. Das ist eine Herausforderung, aber kein Grund zur Panik. Corona hat uns im vergangenen Jahr ausgebremst. Aber man muss nicht zuletzt sagen: Effektivere und effizientere Strukturen zu schaffen – das heißt nicht gekürzte Strukturen – ist ja etwas Positives.

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