Ein Dirigent im Kreißsaal
Volker Thäles musikalische Ausbildung begann noch vor seiner medizinischen: Mit fünf Jahren lernte er Klavierspielen. Später kamen Violoncello und Gambe, ein historisches Streichinstrument, hinzu. „Als gebürtiger Hallenser habe ich die klassische Ausbildung am Konservatorium Georg Friedrich Händel durchlaufen“, erzählt der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Als Cellist spielte er bereits im Jugendsinfonieorchester des Konservatoriums, als Assistenzarzt gründete er dann an der damaligen Universitätsfrauenklinik der MLU die erste Musiziergemeinschaft. Sein Doktorvater, Professor Kurt Rothe, stellte den Hörsaalvorraum als Probendomizil zur Verfügung. Nach den wöchentlichen Probenabenden spielte das Doppelquartett auf den Gängen der Klinik für die Patientinnen. Anfangs teils noch selbst am Cello sitzend, übernahm Thäle bei der rasch wachsenden Anzahl an begeisterten Laienmusikern schließlich das Dirigat des Ensembles.
Schon zu Schulzeiten saß der Autodidakt mit Taschenpartituren in den Konzerten der Halleschen Philharmonie. „Ich kannte die Beethoven-Sinfonien frühzeitig auswendig. Meine große Liebe galt aber von jeher Brahms und Schumann.“ Schon im Schulorchester sprang Thäle ein, wenn der Musiklehrer mal krank war. „Ich war voller Stolz, als ich im Orchesterlager damals Mozarts Titus-Ouvertüre dirigieren durfte“, erinnert sich der Oberarzt. Eine professionelle Ausbildung im Dirigieren hat er zwar nie erhalten.
„Aber ich habe mir vieles abgeschaut und immer wieder geübt – auch vor dem Spiegel. Gern würde ich einen regulären Dirigierkurs besuchen, aber dazu fehlt mir leider die Zeit“, bedauert der Mediziner. Umso erstaunlicher ist es, dass er seit vielen Jahren jeden Dienstag zur Orchesterprobe erscheint. „Ich bin meinen Kolleginnen sehr dankbar, dass sie es mir seit Jahren ermöglichen, dienstags keinen Bereitschaftsdienst machen zu müssen.“
Für Thäle ist die Musik als Ausgleich zur Arbeit in der Klinik unersetzbar. Wenngleich in der Orchesterleitung ebenfalls viel Arbeit steckt – angefangen bei der Werkauswahl: „Nicht jedes Werk ist für ein Laienorchester spielbar. Leider! Ich muss mich damit abfinden, auch wenn es manchmal sehr schwer fällt!“ Als Dirigent hat er den Anspruch, die Orchesterprogramme aufeinander abzustimmen und Komponistenjubiläen zu berücksichtigen.
So ist in diesem Jahr eine Huldigung Richard Wagners geplant. Mindestens genauso wichtig: „Die Werke sollen auch Spielfreude vermitteln, das ist für Laienorchester besonders wichtig. Schließlich sollen die Probenarbeit, gemeinsame Orchesterlager und die Konzerte allen Freude bereiten – Musikern und Zuhörern“. Das Musizieren auf dem eigenen Cello oder auf der Gambe ist dabei aus Zeitgründen inzwischen in den Hintergrund gerückt, erzählt er: „Das mache ich nur noch im stillen Kämmerlein zu Hause.“