Ein Fest zum Streiten: Uni-Projekt in Halle-Neustadt

19.09.2023 von Katrin Löwe in Campus, Studium und Lehre
Sprechwissenschafts-Studierende der Universität beteiligen sich mit einem eigenen Projekt am kulturellen Themenjahr der Stadt Halle unter dem Motto „Streitkultur und Zusammenhalt“. Gemeinsam mit lokalen Partnern laden sie für den 25. September zu einem „Streitfest“ in Halle-Neustadt ein.
Len Jakobsen (links) und Eva Inselmann beim Einsprechen der Inhalte aus dem Frühstückscafé.
Len Jakobsen (links) und Eva Inselmann beim Einsprechen der Inhalte aus dem Frühstückscafé. (Foto: Michael Kästner)

Pizza. Immer dann, wenn irgendwie Spannung in der Luft lag, wurde in der Familie von Len Jakobsen früher spontan Pizza bestellt, um die Situation zu befrieden. Das hat gewirkt, erinnert sich der Sprechwissenschafts-Student. Dennoch hat die Geschichte einen Haken: „Ich hätte auch gern mal gestritten“, fügt er nämlich hinzu.

Streit also. Worüber streiten wir? Auf welche Art und Weise? Mit wem? Das waren Fragen, denen sich die Studierenden Len Jakobsen und Eva Inselmann in den vergangenen Monaten in einem Projekt gewidmet haben, das am 25. September in ein „Streitfest“ in Halle-Neustadt „Am Treff“ münden wird. Jeden Montag haben sie sich dort mit den Besucherinnen und Besuchern des Frühstückscafés zusammengesetzt, das die Arbeiterwohlfahrt (AWO) SPI Soziale Stadt und Land Entwicklungsgesellschaft betreibt.

Haben erst zugehört, sind dann ins Gespräch gekommen. Mit Christoph Browarzik zum Beispiel, der ehrenamtlich im Café hilft und auch an diesem Montag auf einer der Bänke unter dem großen AWO-Zelt sitzt. Bei Ungerechtigkeiten, erzählt er, da gehe er Streit nicht aus dem Weg. Zum Beispiel damals, als er den Eindruck hatte, dass eine Kollegin respektlos behandelt wird oder die ältere Dame im Sportverein sich rassistisch geäußert hat. Generell aber sagt der 36-Jährige: „Ich streite nicht so gern.“ Vor allem nicht um Kleinigkeiten, da sei er pragmatisch und kompromissbereit.

Das Frühstückscafé gibt es in dieser Form erst seit diesem Jahr und es richtet sich laut Quartiersmanagerin Johanna Ludwig vor allem an Langzeitarbeitslose und ältere Menschen. Die Erfahrungen, von denen Eva Inselmann und Len Jakobsen aus den Gesprächen der vergangenen Monate berichten, ähneln sich: Viele Besucherinnen und Besucher versuchen, Streit zu vermeiden. Allerdings stelle sich schon die Frage, was überhaupt als ein Streit verstanden werde, so der 33-Jährige. Landläufig werde ein Streit wohl eher als Situation empfunden, die bereits einem Kampf nahekommt. „Was wir als Streit definiert haben, ist eher eine Diskussion“, sagt Jakobsen. Ein Austausch von Argumenten, das gegenseitige Zuhören.

Im Treff sind die Themen, über die je nach Wahrnehmung diskutiert oder gestritten wird, dabei sehr unterschiedlich. Sie fangen bei der Frage an, ob ins Salat-Dressing Zucker gehört oder vegane Wurst lecker ist und gehen bis hin zu politischen Debatten, etwa über die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs.

Wird in Halle-Neustadt anders gestritten oder mehr? Vielleicht unterscheiden sich die Themen, aber nicht die Häufigkeit, glaubt Jakobsen. Vielleicht geht es verbal auch mal direkter zu, ergänzt Ludwig, wobei nicht alles grob sei, was grob klinge.

Am 25. September laden Inselmann und Jakobsen gemeinsam mit der AWO, den Themenjahren der Stadt und der Wohnungsgesellschaft GWG Halle-Neustadt dazu ein, am „Treff“ noch einmal zum Streiten ins Gespräch zu kommen. Dafür haben sie unter anderem ein Hörspiel vorbereitet: An fünf aufgebauten Stelen können sich Besucherinnen und Besucher jeweils fünf Minuten lange Tondateien zum Thema Streit anhören. In einem eigens eingerichteten kleinen Studio am Steintor-Campus haben Studierende dafür die Inhalte von Gesprächen und Interviews im Frühstückscafé neu eingesprochen. Neben jeder Hörspiel-Stele gibt es einen thematisch passenden Stand: Zur Streitfrage nach veganer Wurst oder dem Salat-Dressing werden zum beispielsweise Lebensmittel zum Verkosten gereicht, an einem Kreativstand können Erinnerungen an vergangene Streits aufgeschrieben oder -gemalt werden. Das Stadtmuseum beteiligt sich mit einem Spiel, in einer Art Improvisations-Theater können Streitsituationen auch nachgestellt werden.

In einem der im Vorfeld eingesprochenen Texte geht es auch um eine Café-Besucherin, die den Studierenden erzählt hat, dass sie für drei Monate eine fünfköpfige ukrainische Familie bei sich aufgenommen hatte. Der Ursprung dafür: Krieg – Streit in seiner schlimmsten Form. Vor allem aber erzählt diese Geschichte, wie die Familie angenommen und mit Kleidung und Nahrung versorgt wurde und wie beide Seiten voneinander gelernt haben. „Denn es geht um Zusammenhalt“, sagt Jakobsen. Um den gehe es im Titel des Themenjahrs schließlich auch – „das wollten wir zeigen“.

„Streitfest“
Termin: Montag, 25. September 2023, ab 14:30 Uhr
Ort: „Am Treff“, 06124 Halle
Eintritt frei

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Sprechwissenschaft

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