Experimente mit Maske
An ihm kommt keiner einfach so vorbei, der sich in diesen Tagen im vierten Obergeschoss des Instituts für Physik einfindet: Gleich am Eingang steht der Tisch mit Desinfektionsmittel, Masken und den Teilnahmebögen, die die Studierenden an jedem Praktikumstag ausfüllen müssen – inklusive Fragen zu Corona-Symptomen und möglichen Kontakten zu Infizierten. Ein paar Räume weiter sitzt Florian Loppnow an einem Spektrometer und untersucht die Fluoreszenz verschiedener Stoffe. Dass er dabei einen Mund-Nasen-Schutz trägt, ist ein Teil der ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Damit, sagt Loppnow, der im sechsten Semester Physik studiert, komme er gut zurecht – er geht einfach einmal mehr zum Durchatmen auf den Flur. Die größere Einschränkung sei, dass im Praktikum nicht mehr in Zweierteams gearbeitet wird. Damit falle der Ideenaustausch weg. „Wir erhalten aber gleichzeitig von den Assistenten mehr Unterstützung“, sagt Loppnow, „das läuft bei uns echt gut“. Und bei allem Wunsch nach Präsenzveranstaltungen: Auch der Online-Lehre kann er einiges abgewinnen, gerade bei Veranstaltungen, die er aus Zeitgründen sonst nicht belegen könnte. Ähnlich äußert sich Michele-Louise Regner, Medizinphysik-Studentin im sechsten Semester, gerade mit einem Versuch zu Umweltradioaktivität befasst. Online werde der gleiche Stoff vermittelt wie sonst auch, es gebe zudem viele Fragestunden. Und an die Maske im Praktikum gewöhne man sich. „Beim Einkaufen und in der S-Bahn ist es ja genauso. Das geht alles.“
Das Fortgeschrittenenpraktikum in der Physik ist eine der Veranstaltungen, die nach enger Abstimmung zwischen Rektorat und den einzelnen Fakultäten trotz Pandemie vor Ort stattfinden dürfen. „Für mich war es ein Schlüsselmoment, als ich zum ersten Mal Laserlicht mit eigenen Augen gesehen habe und einen Laser anfassen konnte“, sagt Dr. Franz-Josef Schmitt, der das Praktikum gemeinsam mit Prof. Dr. Reinhard Krause-Rehberg leitet. Daraus erklärt sich für ihn auch die Bedeutung der Praktika vor Ort. „Das weckt eine Faszination, die online nicht zu vermitteln ist.“ Insgesamt 45 Studierende der Physik, der Medizinphysik und des Lehramts können in diesem Sommersemester ihre Fortgeschrittenenpraktika am Institut absolvieren.
Das zu ermöglichen, erforderte bei 16 Experimenten allerdings einiges an Organisation, festgeschrieben unter anderem in einem Hygienekonzept. Statt fünf Versuche müssen die Studierenden nur noch drei absolvieren – ein Modus, der auch vorher bereits möglich war, wenn die Studierenden alleine statt in Gruppen experimentieren. Die vorhandenen Arbeitsplätze werden nur zum Teil besetzt, um Abstand zu wahren, die Räume sind entsprechend umgerüstet. Zudem wurden die Studierenden aufgeteilt: In der ersten Semesterhälfte kommen künftige Physiker und Medizinphysiker, in der zweiten die Lehramtsstudierenden. „Die Disziplin ist beeindruckend“, sagt Schmitt, niemand habe die Maske bisher abgelehnt – auch die generelle Teilnahme am Praktikum nicht, obwohl die Teilnahme freiwillig ist und zugesichert wurde, dass aus einer Nicht-Teilnahme keine Nachteile entstehen.
Inzwischen sind die ersten Arbeitsplätze in den Praktikums-Laboren auch mit Audio- und Videotechnik ausgestattet worden. Schmitt spricht von dem Plan einer „invertierten Online-Lehre“ – die Studierenden sind vor Ort und können online ihre Lehrkräfte im Büro oder zu Hause fragen. Mit einem entsprechenden Projekt hat der Praktikumsleiter sich gerade an der Challenge des Stifterverbandes „MINT digital“ beteiligt. Denkbar seien auch komplett ferngesteuerte Experimente, sagt er.
Derzeit sind die Lehrkräfte allerdings vor Ort – sieben Assistenten betreuen an den zwei Praktikumstagen pro Woche die Studierenden. Laut Schmitt auch Kollegen, die ursprünglich einer Öffnung der Praktika kritisch gegenüberstanden, sie nun aber ohne Einschränkung unterstützen. „Ich bin froh, ein Teil dieses Teams zu sein“, sagt der Wissenschaftler.