Von Wickeltisch bis Pflege-Workshop: Angebote für Familiengerechtigkeit
Zunächst: Das Familienbüro hatte über mehr als zehn Jahre seinen Sitz in der Barfüßerstraße. Warum jetzt der Umzug?
Ina Schubert: Wir gehören zur Stabsstelle Vielfalt und Chancengleichheit, die zum großen Teil bereits in der Dachritzstraße sitzt. Wir können so also als Stabsstelle weiter zusammenwachsen und Themen intensiver miteinander verschränken. Außerdem haben wir jetzt mehr Platz. Unser vorheriges Büro war sehr klein. Unser Umzug war am 30. Oktober, seit dem 4. November sind wir wie gewohnt mit unseren Angeboten an der neuen Anschrift in der dritten Etage, Raum 329, erreichbar.
Angebote ist das Stichwort: Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit, was bieten Sie für wen?
Nils Wittig: Letztlich ist das Familienbüro die zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle zum Thema Familiengerechtigkeit. Zudem sind wir für das audit familiengerechte hochschule verantwortlich, das die MLU seit 2009 bereits fünfmal erhalten hat – gerade sind wir in der Re-Auditierung.
Wenn wir von Familie sprechen, dann sprechen wir sowohl über die Situation von Beschäftigten und Studierenden mit Kindern als auch über das Thema Pflege von Angehörigen – oder beides zugleich. Unsere Kernaufgabe ist die Beratung, zudem sind wir Ansprechpartner für die Mitglieder der Universität, aber auch für die Fakultäten, die Gremien der Universität und die Verwaltung. Wir arbeiten intensiv mit den Familienbeauftragten zusammen, die es an allen Fakultäten gibt – zum Teil sind es auch mehrere an einer Fakultät. So können wir Bedarfe eruieren und darauf reagieren.
Was für Bedarfe sind das?
Wittig: Ganz unterschiedliche. Vorrangig geht es vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit um die Arbeits- und die Studienorganisation.
Schubert: Neben der direkten Beratung von Eltern oder Pflegenden finde ich ganz spannend, dass wir das Thema Familiengerechtigkeit in universitäre Prozesse einbringen, wenn zum Beispiel Forschungsanträge gestellt werden – also zur Frage, wie sie bereits bei der Antragstellung mitgedacht werden kann.
Wittig: Und natürlich geht es auch um das Thema kindgerechte Infrastruktur. Es gibt Angebote an allen Standorten, die auch erneuert, erweitert oder weiterentwickelt werden müssen. Ich denke da an die Ausstattung mit Wickeltischen oder die Möglichkeiten zur Einrichtung von Eltern-Kind-Arbeitsplätzen und die Zugangsregelungen dafür.
Eltern-Kind-Arbeitsplätze? Für Beschäftigte oder für Studierende?
Wittig: Für beide.Wir sind gerade dabei, die Zugänge dazu transparenter zu gestalten und zu erleichtern. An allen Standorten der Uni existieren Räume mit Arbeitsplatz, Spiel- und Wickelmöglichkeit, wo Eltern arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder betreuen können – in den Wirtschaftswissenschaften ist gerade das WiwiFamilyOffice neu entstanden. Am Uniplatz gibt es zum Beispiel die „Kinderinsel“, die über den Studierendenrat gebucht werden kann. Teilweise kann die Betreuung in diesen Räumen jeweils auch durch Dritte, wie die Weinbergkids, erfolgen. Dies nutzen wir zum Beispiel bei der veranstaltungsbegleitenden Kinderbetreuung, bei der wir als Familienbüro unterstützen. Das bedeutet, dass in diesen Räumlichkeiten die Kinder von Teilnehmenden von Kongressen und Tagungen betreut werden können. An einigen Standorten haben wir auch mobile Kinderzimmer mit Spielzeug, Büchern, Beschäftigungsmaterial und Kinderreisebett.
Das sind eher die Lösungen, wenn Eltern zeitweise die Betreuung fehlt, richtig?
Wittig: Richtig. Wir können nach kurzfristigen Lösungen schauen, die auch bei ganz jungen Kindern helfen, beispielsweise bei Wissenschaftler*innen in der Qualifikationsphase, die nach der Geburt zeitnah wieder in den Job einsteigen. Wir unterstützen aber auch dabei, Kitaplätze zu finden. Der Bedarf dafür begegnet uns oft bei Studierenden oder Beschäftigten, die bereits mit Kind, insbesondere aus dem Ausland, an die MLU kommen, bei neu berufenen Professorinnen und Professoren oder aber bei Gastprofessorinnen und -professoren, die für zwei, drei oder vier Wochen hier sind. Dann reden wir nicht mehr von einer ergänzenden Betreuung, sondern von einer Regelbetreuung.
Blicken wir noch einmal speziell auf Studierende …
Schubert: Für Studierende mit Kindern engagiert sich der Arbeitskreis „Studieren mit Kind“, der beim Stura angegliedert ist. Wir arbeiten intensiv zusammen und planen zum Beispiel gemeinsame Veranstaltungen wie das Uni-Kinderkino oder Workshops. Studierende mit und ohne familiäre Verantwortung können sich dort auch selbst austauschen, vernetzen und einbringen.
Wittig: Wozu wir aktuell sehr oft beraten, sind Herausforderungen insbesondere für Studentinnen im Rahmen des Mutterschutzes. Das sind zum Beispiel Anpassungsmaßnahmen und Nachteilsausgleiche während der Schwangerschaft, so dass Studierende ihr Studium erfolgreich fortsetzen können und kein ganzes Jahr verlieren, weil sie an Lehrveranstaltungen wegen des Mutterschutzes nicht mehr teilnehmen können. Ein anderes Thema ist die Frage der Gestaltungsmöglichkeiten. Für Eltern ist wichtig, dass Lehrveranstaltungen möglichst zu Zeiten gesicherter Kinderbetreuung angeboten werden – und Pendelstrecken berücksichtigt sind. Pflegende benötigen dagegen eher eine längerfristige Planungssicherheit, um die Pflege ihrer Angehörigen abzusichern. Wir versuchen, mit Lehrenden ins Gespräch zu kommen, dafür zu sensibilisieren und Best-Practice-Beispiele zu zeigen.
Wo liegen die größten Probleme von Studierenden mit Kind?
Wittig: Durch die Sanierung vieler Kitas und Neueröffnungen in Halle hat sich die Betreuungssituation im Vergleich zu 2016 zwar entspannt. Seit Corona haben wir aber das Problem, dass Angebote aufgrund des Erzieher*innenmangels stark eingeschränkt sein können – an vielen Stellen betrifft das die tatsächlichen Öffnungszeiten. Das schränkt die Teilnahme von Studierenden mit Kindern an Lehrveranstaltungen oder Pflichtpraktika ein und wirkt sich auf die Prüfungsvorbereitung aus. Für Beschäftigte wirken diese Einschränkungen gleichermaßen herausfordernd.
Jetzt ist das Stichwort Pflege von Angehörigen schon zweimal gefallen …
Wittig: Das ist schon länger als Thema präsent, gerade in den vergangenen Monaten haben wir den Blick darauf aber noch einmal intensiviert – und das wird auch fortgesetzt. Wir haben innerhalb des vergangenen Jahres auch zunehmend Anfragen von Studierenden, die pflegen. Ein interessanter Punkt: In unserer Studierendenbefragung 2021 ging es darum, ob Lehrende wissen, dass ihre Studierenden entweder Kinder haben oder Angehörige pflegen. Von den studentischen Eltern kam die Antwort, dass ungefähr die Hälfte der Lehrenden informiert ist. Von den Pflegenden haben das gerade einmal zwei Prozent angegeben. Wir vermuten, dass es bei den Beschäftigten an vielen Stellen ähnlich aussieht.
Was kann das Familienbüro in dem Bereich tun?
Wittig: Auch hier geht es um die organisatorische Anpassung von Studium, Qualifikation und Beruf beziehungsweise um die organisatorische Umsetzung. Neben der Beratung hierzu durch das Familienbüro können wir an externe Beratungsstellen, wie die Pflegeberatung der Pflegekassen, verweisen.
Schubert: Worauf ein Fokus liegt, ist die Sensibilisierung, beispielsweise von Lehrenden und Führungskräften, für das Thema. Wir wollen auch mehr Sichtbarkeit schaffen. Wir informieren über grundsätzliche Fragen, darüber hinaus machen wir auf Weiterbildungen an der Uni und Angebote aufmerksam, die es auch in der Stadt gibt. Das ist einiges – vom Demenz-Workshop bis zur Pflegerechtsberatung. Auf unserer Website stellen wir zudem eine Notfallmappe „Ich bin vorbereitet“ zur Verfügung, in der relevante Informationen wie persönliche und medizinische Daten von Angehörigen, Fragen zu Versicherungen, Finanzen und Verträgen hinterlegt werden können.
Das war jetzt eine ziemliche Menge an Angeboten und die Aufzählungen sind sicher nicht vollständig. Wo können sich Beschäftigte oder Studierende weiter informieren?
Schubert: Auf unserer Website. Dort stehen auch unsere Beratungszeiten. Am besten ist es, vorher Kontakt mit uns aufzunehmen, egal ob wir in Präsenz, digital oder telefonisch beraten sollen. Pro Semester verschicken wir zudem ein bis drei Rundmails, in denen wir Angebote wie die Ferienbetreuung im Sommer und im Herbst kommunizieren, aber auch über Veranstaltungen, Ansprechpartner*innen oder weitere Angebote und Strukturen im Rahmen der familiengerechten Hochschule informieren.