Helfende Hände im digitalen Zeitalter
An einem Junimorgen leuchtet bei Max M. ein Alarmsignal auf. Er wischt über das Display seines Smartphones und sieht den Hilfeaufruf: „Einsatzalarm - Ziegelwiese“. Max M. wird benachrichtigt weil er sich die App „Hands2Help“ heruntergeladen und sich als freiwilliger Hochwasserhelfer eingetragen hat. Er wählt: „Einsatzdetails“. Sofort wird ihm angezeigt, welche Hilfe an der Ziegelwiese benötigt wird:
„1. Sandsäcke verbauen.
2. Bei der Verpflegung der Arbeiter helfen.
Die Helfer werden ab sofort bis 18 Uhr benötigt und sollen wenn möglich Gummistiefel mitbringen.“
Max M. entschließt sich, auf der Ziegelwiese zu helfen, drückt auf „Zusage“ und macht sich auf den Weg.
Wenn es nach den Plänen um das Team von Prof. Dr. Stefan Sackmann am Lehrstuhl Betriebliches Informationsmanagement der Martin-Luther-Universität geht, soll diese Geschichte möglichst schon beim nächsten Ausnahmezustand Realität sein. Gemeinsam mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern Marlen Hofmann und Hans Julius Betke tüftelt er an einer Smartphone Applikation zur Koordination freiwilliger Katastrophenhelfer. Der Prototyp dieser App wurde auf dem IT²-Tag am 13. Mai erstmals vorgestellt.
„Die Idee kam uns, als wir abends nach einem Hilfseinsatz zusammen saßen und überlegten, was der Tag gebracht hat“, sagt Betke. Anders als erwartet, waren die drei Helfer nämlich nicht völlig ermüdet, sondern völlig frustriert.
„Wir mussten feststellen, dass wir zwischen zehn verschiedenen Einsatzorten hin und her gefahren sind, die laut Facebook dringend Hilfe benötigten, um effektiv lediglich fünf Sandsäcke zu schleppen“, führt Betke fort. Ihnen ging es wie zahlreichen anderen Freiwilligen, die helfen wollten, aber nicht gebraucht wurden, weil schon zu viele Helfer vor Ort waren.
Die Kommunikation via Facebook fand letztendlich unkoordiniert statt und konnte mit der tatsächlichen Entwicklung nicht Schritt halten. Doch wurde dieses Medium zur Inspiration. „Es war sehr beeindruckend, dass sich etwa 100.000 Menschen in der Gruppe ‚Hochwasser Sachen-Anhalt‘ organisiert haben und freiwillige Hilfe leisten wollten, es aber nicht konnten, weil Facebook dafür nicht optimiert ist“, führt Betke fort.
Zentrale Fragestellung war also: Wie kann spontane Hilfe so koordiniert werden, dass die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind? Weil heute fast jeder ein Smartphone besitzt, lag der Gedanke an eine App nahe. Seit einem Jahr arbeitet das Hands2Help-Team zusammen mit den studentischen Hilfskräften Daniel Haake und Georg Koraev an der Entwicklung des Prototyps. „Wir machen das inzwischen überwiegend in unserer Freizeit und weil wir an die Idee glauben“, sagt Betke. Mit der Teilnahme am „Scidea“-Ideenwettbewerb des Univations Gründerservice wollten sie die Resonanz testen und für Aufmerksamkeit sorgen.
„Hands2Help“ gewann den ersten Preis in der Kategorie Dienstleistungen und weckte damit das Interesse des Feuerwehrverbands Sachsen-Anhalts. Aktuell wird die App im Rahmen eines Projektseminars gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Halle weiter entwickelt. Auch mit dem Innenministerium des Landes Sachsen- Anhalt werden Weiterentwicklungs- und Unterstützungsmöglichkeiten diskutiert und mit Unternehmen aus der Region über eine einsatzfähige Umsetzung nachgedacht.
Noch sind viele Fragen offen, zum Beispiel den Datenschutz, rechtliche Bedenken oder die Auslastung betreffend. „Vielleicht wird es zukünftig möglich, die App auch für andere Einsätze zu nutzen, beispielsweise wenn Privatpersonen Hilfe benötigen. Momentan stehen bei uns die Offiziellen im Vordergrund, aber wir sind für jede Hilfe, Anregung und weitere Ideen sehr dankbar“, meint Betke abschließend.
„Hands2 Help“bei der Langen Nacht der Wissenschaften
Wer „Hands2 Help“ einmal live erleben möchte, hat hierzu bei der Langen Nacht der Wissenschaften Gelegenheit. Am 4. Juli im Großen Hörsaal in der Großen Steinstraße 73 wird von 19 bis 19.30 Uhr die App zum ersten Mal mit Publikum getestet.
Mehr über das Projekt unter http://informationsmanagement.wiwi.uni-halle.de/projekte/hands2help/