"Ich hatte Chaos befürchtet, aber das blieb aus"
Welche Dienste haben Sie vor MLUconf genutzt – und warum bleiben Sie jetzt bei dem Uni-Service?
Albrecht Petzold: Nach dem Lockdown haben wir einmal alles durchprobiert: Skype, Zoom, Webex, Jitsi. Der große Vorteil von MLUconf ist, neben dem Datenschutz, der geringe Zeitversatz. Man kann einen verzögerungsfreien Dialog führen, bei anderen einhaken, abwechselnd sprechen, ohne sich ins Wort zu fallen. Innerhalb der Stud.IP-Veranstaltungen konnte ich den Studierenden außerdem Lernräume einrichten, in denen sie frei eintreten und kommunizieren können. Ein großer Vorteil ist auch, dass alles über den Browser und auch auf Mobilgeräten funktioniert – und dass man als Moderator Präsentatorenrechte vergeben kann, anstatt dass sich die Studierenden diese Rechte selbst nehmen müssen. Das würde bei zu vielen Teilnehmenden zu Verwirrungen führen.
Wie groß sind Ihre MLUconf-Sitzungen in der Regel?
Unsere Übungsgruppen umfassen rund 15 Personen. Wir haben sie in zwei Gruppen zu je 60 Minuten geteilt, anstatt eine große Gruppe anderthalb Stunden lang zu moderieren. Das ist zwar anstrengender für uns, aber die Studierenden können sich besser beteiligen.
Wie laufen Ihre Übungen regulär, also „analog“, ab?
Vor der Veranstaltung bekommen die Studierenden Hausaufgaben. Für einen Teil der Aufgaben werden Lösungen vorbereitet und im Seminar von Studierenden an der Tafel präsentiert und diskutiert. Für den zweiten Teil der Aufgaben suchen die Studierenden Lösungsansätze in kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen direkt im Seminar. Für diese Gruppenarbeit gebe ich 10 Minuten pro Aufgabe. Anschließend diskutieren wir gemeinsam die Ansätze der verschiedenen Gruppen bis zu dem Punkt, an dem jeder selbstständig weiterrechnen kann.
Können Sie dieses Konzept jetzt 1:1 digital umsetzen?
Nicht komplett, aber in seinen Grundgedanken. Die Studierenden müssen die Hausaufgaben jetzt vor dem Termin als PDF-Dokument einreichen. Ich lade dann alle Dokumente in MLUconf hoch. Wer sich freiwillig zum Vorrechnen meldet, wird von mir zum Präsentator gemacht und erhält seine Lösung auf den Bildschirm, worin er dann erzählen und schreiben kann. Die anderen können jederzeit einhaken und Fragen stellen. Anschließend geht es in die Breakout-Räume.
Wie organisieren Sie die Breakout-Räume?
Zunächst lege ich eine Dauer von mindestens fünf Minuten fest – ein kleineres Zeitfenster lohnt sich wegen der technischen Einstellungen beim Raumwechsel, insbesondere den Echotests, nicht. Wenn einige Teilnehmer kein Mikrofon haben, achte ich darauf, dass in jedem Raum wenigstens zwei Studierende sprechen können und die anderen sich wenigstens als Zuhörer dazugesellen. Während der Diskussionen klinke ich mich in die unterschiedlichen Gruppen ein, höre, an welchem Punkt sie gerade sind, und gebe Tipps.
Hatten Sie Probleme beim Einteilen der Studierenden oder beim Zurückholen in den gemeinsamen Meeting-Raum?
Nur, wenn Studierende Veranstalterrechte haben, dann ist keine automatische Verteilung in die Breakout-Räume möglich. Der Moderator muss die Teilnehmer dann manuell zuweisen. Das hat aber immer geklappt. Die Breakout-Räume öffnen sich in einem neuen Browser-Tab, der am Ende nicht automatisch geschlossen wird, aber die Studierenden sind bislang immer in den richtigen Raum zurückgekommen. Das einzige, was fehlt, ist eine Meldefunktion: dass sich die Studierenden bei Fragen und Problemen bei mir melden können, auch wenn ich gerade nicht in ihrem Raum bin.
Wie viele Teilnehmer hatte Ihr bisher größtes Web-Meeting über MLUconf?
Das war eine Einführungsveranstaltung für unser Praktikum mit 36 Leuten. Wir haben hier zwar nicht die Breakout-Räume genutzt, aber die geteilten Notizen: Die Studierenden haben sich dort selbstständig in die Praktikumsgruppen eingeordnet. Ich hatte Chaos befürchtet, aber das blieb aus, es hat wunderbar funktioniert.
Was hat sich in Ihrer Vorbereitung auf die Übungen geändert?
Die Dauer: Die Vorbereitung für ein Online-Seminar braucht mehr Zeit, die ganzen eingesandten Übungen müssen umgewandelt und hochgeladen werden. Dann nimmt noch das Anpassen von Dateiformaten Zeit in Anspruch – beispielsweise, wenn Studierende Lösungen als Fotos statt als PDF-Datei einreichen. Ich schaue die Aufgaben etwa eine halbe Stunde vor Seminarbeginn noch einmal durch, um zu wissen, wo welche Fehler gemacht wurden, wo sich eine tiefere Diskussion lohnt.
Wie arrangieren Sie Ihren Arbeitsplatz für die digitalen Übungen?
Ich nutze zwei Monitore und ein Tablet. Auf dem großen Monitor läuft MLUconf, wo ich den Ausführungen der Studierenden gut folge. Auf dem zweiten Monitor liegen alle Dokumente zum Nachlesen und -sehen, zum Beispiel Vorlesungsskripte. Das Tablet verbinde ich mit MLUconf, um es mit einem Stift als Zeichenraum zu nutzen – damit kann ich über das Zeichen-Werkzeug in der Präsentation schreiben, beispielsweise, um Vorzeichenfehler oder Formeln zu korrigieren oder einfach, um kleine Skizzen zu zeichnen. Auch das Whiteboard wird damit nutzbar. Die Webcam ist auf dem Hauptmonitor angebracht, so dass sie mich fast auf Augenhöhe filmt. Das ist mir wichtig, weil ich bei Ausführungen mit viel Gestik und Mimik arbeite. Studierende bekommen dadurch direktes nonverbales Feedback, auch, wenn sie bei einem Lösungsweg falsch abbiegen.
Welchen Ratschlag möchten Sie abschließend geben?
Wenn man mit Breakout-Räumen arbeitet, sollte man lieber wenige Studierende in mehr Räume verteilen als umgekehrt, damit eine dynamische Diskussion zustande kommt. Und dann sollte man sich genug Vorbereitungszeit vor dem Seminar einräumen, um technische und organisatorische Probleme abzufangen und dann entspannt in die digitale Übung zu starten.
MLUconf-Tipps für Lehrende von Dr. Albrecht Petzold
- Den Raum immer schon einige Minuten vorher öffnen, um technische und organisatorische Probleme beim Zuschalten abzufangen
- Ein Headset verbessert die Audioqualität ungemein, verhindert Echos – selbst ein normales Smartphone-Headset.
- Lieber mehr Breakout-Räume mit weniger Studierenden, damit eine intensive Diskussion stattfinden kann