„Keine Ballerinafüße!“ - Übungsstunde mit Paul Biedermann
45 Minuten sind nicht viel Zeit, wenn es darum geht, die Grundlagen des Kraulschwimmens zu vermitteln. „Einen bunten Mix aus Koordinationsübungen, Einzelbewegungen, Arm- und Beinarbeit und unterschiedliche Kraultechniken, die vielleicht nicht alle im Lehrbuch stehen“ hatte sich Paul Biedermann für seine Übungsstunde überlegt. „Ich möchte aber auch meine eigenen Erfahrungen teilen und wenn mir Dinge auffallen, dann werde ich individuell Tipps geben“, kündigt er zu Beginn der Stunde an.
Vom Beckenrand aus gibt er das Programm vor, nach dem die Studenten ihre Bahnen ziehen. „Ich möchte jetzt mal eure Beinarbeit beim Kraulschwimmen begutachten“, sagt er zum Beispiel, und verteilt Schwimmbretter an die Studierenden im Wasser. Immer wieder demonstriert er mit Arm- und Beinbewegungen, worauf es besonders ankommt: „Wichtig ist, dass der Fuß nicht zu überstreckt ist – keine Ballerinafüße!“
Kurze Sprints in Vierergruppen stehen als nächstes an. Dabei kann Biedermann die Technik jedes Schwimmers genau studieren und Hinweise geben, wo und wie sich der einzelne noch verbessern kann. „Man ist schon nochmal ein bisschen motivierter, wenn ein Profi zuguckt“, sagt Antje Geyer, die Sport und Ernährung im Master studiert und in der Übungsstunde zusammen mit 15 Kommilitonen ihr Bestes gibt.
Als der Weltrekordhalter über 200 und 400 Meter Kraul schließlich mit durchgestreckten Armen die sogenannte „Windmühlen-Technik“ demonstriert, sorgt das für Lacher. Aber er meint es ernst: „So ist ein Schwede mal Weltmeister geworden.“ Mit Windmühlen-Schlägen durchpflügen die Studierenden kurz darauf das Wasser.
Am Ende der Stunde sind sie begeistert: „Es war mal was anderes und ich habe auch einiges mitnehmen können, was mir persönlich hilft, um meine Technik zu verbessern“, sagt Ole Meinhof, Bachelor-Student der Sportwissenschaften. Und Anne Lachmund, die Sport für das Lehramt am Gymnasium studiert, ergänzt: „Ich fand den Aufbau der Stunde sehr gut - der lässt sich gut auf den Schulunterricht übertragen, wenn auch nicht mit derselben Belastung.“
Dr. Andreas Hahn zeigt sich ebenfalls zufrieden mit seinem prominenten Trainer-Kollegen. Seit vielen Jahren kennen sich der Sportwissenschaftler und der ehemalige Weltmeister, unter anderem durch die Forschungsarbeit von Hahn. „Wir arbeiten zum Beispiel daran, wie man das Krafttraining für Leistungsschwimmer optimal gestalten und mit dem Training im Wasser abstimmen kann.“ Aktuelle Ergebnisse dazu wird Hahn gemeinsam mit Olympiasiegerin Britta Steffen im September veröffentlichen.
Die Idee zur Übungsstunde kam übrigens von Paul Biedermann selbst: „Ich wollte gerne eine Trainingseinheit anbieten. Das war für mich auch ein Test – ob ich den richtigen Ton treffe zum Beispiel.“ Sein eigenes Fazit fällt positiv aus: „Ich gehe mit einem guten Gefühl aus der Stunde und könnte mir vorstellen, sowas noch mal zu machen. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht.“
Teilnehmen konnten Studierende aller Fächer mit sportwissenschaftlichem Bezug. Die Schwimmstunden sind Teil der methodisch-praktischen Übungen, die angehende Sportlehrer ebenso belegen müssen wie Sportwissenschaftler. „Damit bauen wir die Brücke von der Eigenkompetenz hin zur Lehrkompetenz“, sagt Hahn, der Sprecher der Kommission Schwimmen der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft ist.
Gerade Schwimmen stehe zurzeit in der Sportlehrer-Ausbildung im Fokus: „Immer weniger Kinder können heute schwimmen, deshalb ist es umso wichtiger, dass es Bestandteil unserer Lehrerausbildung ist“, erklärt Andreas Hahn. Und der Schulsport orientiere sich an den Modellen aus dem Leistungssport. Dass ein guter Lehrer für den Schwimmerfolg entscheidend sein kann, findet auch Paul Biedermann: „Wenn man beim Schwimmen die richtigen Trainingstipps erhält, kann man mit ein bisschen Übung sehr schnell Fortschritte sehen.“