Kleine Fächer-Wochen Sprechwissenschaft: „Sie müssen sich Halle merken“
„Ich mache mal einen Werbeblock.“ - Sachsen-Anhalts Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration Petra Grimm-Benne nannte in ihrem Grußwort zur Ausstellungseröffnung am vergangenen Freitag beim Namen, worum es geht. Nämlich darum, darauf aufmerksam zu machen, was Sprechwissenschaft bedeutet und wie wichtig zum Beispiel die Arbeit akademischer Sprachtherapeuten nach ihrer universitären Ausbildung ist. „Es müsste noch viel mehr von ihnen geben“, stellte die Ministerin insbesondere mit Blick auf die Ausstellung fest.
Denn die zeigt unter dem Titel noch für mehrere Wochen mit eindrucksvollen Bildern und dazugehörigen Geschichten, welchen Erfolg Sprachtherapie haben kann, wie sie das ganze Leben der Patienten maßgeblich beeinflusst – etwa bei erwachsenen Menschen nach einem Schlaganfall oder bei Kindern bei Sprachentwicklungsstörungen, die jeweils unbehandelt in die Isolation und das gesellschaftliche Abseits führen können. Die Direktorin des Instituts für Sprechwissenschaft Prof. Dr. Susanne Voigt-Zimmermann grenzte denn auch noch einmal launig die Sprechwissenschaft von der Sprachwissenschaft ab, machte aber auch deutlich, dass beides an der MLU mit großer Expertise vertreten sei – „Sie müssen sich bei allem eigentlich nur Halle merken.“
Seit über 100 Jahren gibt es die Sprechwissenschaft an der Universität Halle – dennoch zählt sie zu den sogenannten „Kleinen Fächern“ – deren Bedeutsamkeit die Hochschulrektorenkonferenz mit ihrem Programm „Kleine Fächer an deutschen Hochschulen“ sichtbar machen will. Zurzeit sind in Halle etwa 150 Studierende eingeschrieben, sie werden von vier Professorinnen und Professoren, sechs wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie fünf Lehrkräften für besondere Aufgaben betreut. Gemeinsam befassen sie sich mit allen Aspekten der mündlichen Kommunikation von Menschen: Phonetik, Rhetorik, Sprechkunst, Klinische Sprechwissenschaft und Sprechbildung.
Einen historischen Überblick dazu gab es beim zweiten großen Programmpunkt in der „Kleinen Fächerwoche“, der Eröffnung der Sprechwissenschaftlichen Beratungsstelle, kurz BESS, am heutigen Montag auch. Dr. Stephanie Kurtenbach umriss die Entwicklung des Fachs und berichtete auch, wie die Klinische Sprechwissenschaft sich nach 1990 veränderte. Zum Beispiel, weil der Beruf des Logopäden eingeführt wurde. Im Zuge dessen schloss auch die Beratungsstelle an der Universität, die jahrzehntelang ratsuchenden Bürgern, Kindern und Erwachsenen mit Therapiebedarf, aber auch Schauspielern und Sängern geholfen hatte.
Susanne Voigt-Zimmermann bot 2016 im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften erstmals wieder eine Sprechberatung an der Uni an – mit überwältigendem Erfolg: „Die haben uns die Bude eingerannt.“ So entstand die Idee einer neuen Beratungsstelle: „Aber wir fangen erstmal klein an und beraten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende der Universität“, so Voigt-Zimmermann. Also Uni-Angehörige, die an ihrer Stimme, ihrer Artikulation, ihrem Sprechen im berufsbezogenen Kontext arbeiten wollen – aber auch dann, wenn es um Sprechangst, etwa vor großen Gruppen, geht. Genutzt werden die Gespräche und Coachings auch für Forschung und Lehre. So etwa können Studierende in der Sprechberatungsstelle durch eine nur in eine Richtung transparente Scheibe verfolgen, wie die Beratung abläuft. Das Gespräch wird dadurch nicht gestört.
Der Prorektor für Studium und Lehre Prof. Dr. Wolf Zimmermann schließlich lobte bei der BESS-Eröffnung das ganze Fach: „Es ist voll ausgelastet und ich kenne auch kein anderes Fach an der Uni, das so eine geringe Abbrecherquote hat.“ Voll des Lobes war am Freitag bei der Vernissage auch schon die Prorektorin für Struktur und Personalentwicklung Prof. Dr. Johanna Mierendorff: „Wir sind stolz darauf, dass wir diesen Studiengang an unsere Universität haben.“
Wie es jetzt weitergeht? Mit einem „Feuerwerk an Veranstaltungen“, so Susanne Voigt-Zimmermann. Ganz konkret, am kommenden Freitag und Samstag mit der Tagung „Ausspracheideale auf der Bühne in Geschichte und Gegenwart“ und erneut öffentlichkeitswirksam in der Leopoldina am Montag, 18. November 2019, 17 Uhr, mit der Podiumsdiskussion „Im Gespräch bleiben - Wie wir heute über konflikthafte Themen in Politik und Gesellschaft sprechen“.
Programm bis 2020
Das gesamte Programm der Kleinen Fächer-Wochen Sprechwissenschaft bis Februar 2020 findet sich hier: https://kfw.sprechwiss.uni-halle.de/
Informationen zur Ausstellung: „Was Sprachtherapie kann“