Die Lehre der Zukunft: Breite Debatte um ein Leitbild

15.10.2024 von Katrin Löwe in Campus, Studium und Lehre
Wie sieht gute Lehre an der Uni Halle aus? Welche Ziele und Strategien gibt es? Um diese Fragen zu beantworten, hat die Universität zum ersten Mal ein Leitbild für gute Lehre entwickelt. Es wurde in der Senatssitzung im Juli diskutiert und verabschiedet. Welche Bedeutung es hat und wie es jetzt weitergeht, erklärt der Prorektor für Studium und Lehre Prof. Dr. Pablo Pirnay-Dummer im Interview.
Pablo Pirnay-Dummer
Pablo Pirnay-Dummer (Foto: Markus Scholz)

In der Präambel des vom Senat verabschiedeten Dokuments steht, dass die Universität seit ihrer Gründung die akademische Lehre als zentrale Aufgabe sieht. Warum braucht es jetzt, nach mehr als 500 Jahren, dafür ein Leitbild?
Pablo Pirnay-Dummer: Das braucht es schon lange und soweit ich informiert bin, ist das in den vergangenen 20 Jahren an der MLU auch diskutiert worden. Viele Universitäten haben sich in Folge der Bologna-Reform Leitbilder gegeben. Es ist immer ganz gut, hilfreich und manchmal sogar erforderlich, auf ein Leitbild Lehre zu verweisen, zum Beispiel für bestimmte Zuwendungen. Auch aus der Politik wird das Thema an uns herangetragen. Das ist die förmliche Seite. An einer so großen Institution wie unserer Universität brauchen wir es aber auch als Selbstbekenntnis und als Orientierung für unser eigenes Handeln.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie das Leitbild bei der Orientierung helfen kann?
Praktisch jeden Tag fangen neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei uns an. Viele nehmen Forschung und Lehre zu Beginn als zwei sehr getrennte Aufgaben wahr, weil die Forschung für sie oft der Hauptanlass ist, an eine Universität zu kommen. Das Leitbild Lehre zeichnet auf, wie Forschung und Lehre miteinander verzahnt sind.

Tatsächlich gibt es den Passus, dass Lehrende den Studierenden eine „aktive Teilhabe an aktuellen und laufenden Forschungsprozessen“ ermöglichen sollen.
Ja, und viele sind überrascht, wenn sie mit mir darüber reden. Da heißt es dann: „Ach, das kann ich machen, das ist erlaubt?“ Es ist nicht einfach nur erlaubt, es ist erwünscht, das zu tun!

Andere Punkte in dem Papier scheinen auf den ersten Blick dagegen wenig überraschend, eigentlich eine Selbstverständlichkeit zu sein: „Das Studium erfordert eine hohe Lernbereitschaft.“ Das war doch auch vor 50 Jahren und ganz ohne Leitbild so?
Wir erleben heute auf Seiten der Studierenden ganz oft die Erwartung, dass Lehre etwas ist, was mir widerfährt, was mich unterhalten und mich komplett abholen soll. Und wenn ich da nur hingehe, dann ergibt sich der ganze Rest schon von selbst. Diese Studierenden sind manchmal irritiert davon, welche große Rolle ihr eigener Anteil spielt. Das werfe ich nicht unbedingt der Studierendenschaft vor, es ist auch eine strukturelle Folge der Bologna-Reform. Wir haben heute Modulkataloge, die immer ein Versprechen abgeben, welche Fähigkeiten ich nach dem Besuch einer Lehrveranstaltung erworben habe. Das erzeugt bei vielen – nicht bei allen – die Erwartungshaltung, dass das ein passiver Prozess ist. Bei der Entstehung des Leitbilds wurde dieser Punkt übrigens lange diskutiert. In den ersten Entwürfen war er gar nicht drin, weil „alte Hasen“ die Lernbereitschaft auch als Selbstverständlichkeit angesehen haben.

Sie haben die Entstehung des Leitbilds angesprochen. Wie lief dieser Prozess ab, wer hat den Anstoß gegeben, wer war beteiligt?
Das Thema ist mit meinem Amtsantritt an mich herangetragen worden. Zur gleichen Zeit haben wir den ehemaligen Arbeitskreis zur Qualität in der Lehre in den Status einer Rektoratskommission zur Zukunft von Studium und Lehre erhoben. In ihr sind alle Statusgruppen vertreten, von Studierenden bis zu Professorinnen und Professoren. Innerhalb der Rektoratskommission hat ein Arbeitskreis den ersten Entwurf des Leitbilds entwickelt. Von dort ist er in die Senatskommission für Studium und Lehre gegangen und mit allen Interessensgruppen mehrfach diskutiert worden. Auch die Fakultätsräte haben sich damit befasst und Rückmeldungen gegeben, die eingepflegt wurden. In der Senatskommission wurde dann eine Empfehlung an den Senat erarbeitet – und auch dort haben wir noch einmal eine Stunde darüber gesprochen. Das war nicht einfach ein Papier zum Durchwinken.

Gab es Punkte, um die besonders gerungen wurde? Es sind ja auch durchaus zukunftsweisende Themen wie die digitale Transformation oder Nachhaltigkeit enthalten.
Gerungen wurde um alle. In unterschiedlichen Gremien mit unterschiedlichem Feuer, aber um alle. Ich hoffe, dass wir das relativ schnell mit Maßnahmen und weiteren strategischen Komponenten untersetzen können. Wir müssen auch konkurrenzfähig bleiben.

Das heißt? Nehmen wir das Beispiel Nachhaltigkeit.
Zukünftige Studierende achten heute darauf, welche Konzepte die Häuser haben, um sich selbst nachhaltig zu verhalten. Und sie schauen auch, wie das Thema in Studienprogramme integriert wurde. In dieser Generation spielen die Themen der Zukunft eine starke Rolle bei der Wahl des Studienfachs und des Studienortes. Sie sind aber nicht nur ein gutes Marketinginstrument. Mit der Integration in die Lehre machen wir sie auch zum Gegenstand einer akademischen Auseinandersetzung.

Die Leitlinie wurde im Senat beschlossen und veröffentlicht … Und nun?
Wir sind noch nicht fertig. Schon am nächsten Tag haben wir begonnen, weiter daran zu arbeiten. Jetzt werden in der Rektoratskommission, aber auch in Interessensvertretungen, Konkretisierungen zu den einzelnen Bereichen erarbeitet. Wir haben ein Dokument, auf das wir uns in der Breite einigen konnten, das aber noch sehr abstrakt gehalten ist. Mit jeder Säule, die wir jetzt darunter entwickeln, wird plastischer, was wir zu tun gedenken – bis hin zu den konkreten Maßnahmen, von denen ich schon gesprochen habe.

Gibt es dafür einen Zeitplan?
Ich habe die Hoffnung, dass wir in einzelnen Bereichen relativ schnell Einigkeit haben, andere brauchen mehr Auseinandersetzung. Vielleicht schaffen wir das meiste in unter einem Jahr. Aber ich würde eine Diskussion auch nicht ohne Not abwürgen. Und: Wer sich einbringen möchte, ist herzlich eingeladen.

Zum Leitbild: https://www.prorektoratsl.uni-halle.de/leitbild_lehre/

Diskussionsrunde mit dem Prorektor

Wie könnte eigentlich ein gutes Studium für alle aussehen und was müsste dafür verändert werden? Gemeinsam mit dem Prorektor für Studium und Lehre, Prof. Dr. Pablo Pirnay-Dummer, diskutieren Studierende diese Frage am Mittwoch, 23. Oktober, ab 18 Uhr im Hörsaal XII im Löwengebäude. In der Runde soll über Vorschläge debattiert und ein Fahrplan entworfen werden, wie diese umgesetzt werden können.

Zur Veranstaltung: Deine Uni, deine Regeln: Wie soll das Studium der Zukunft aussehen?

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