Mehr als sanfte Schwermut
Zweifelsohne bietet der zeitlich begrenzte Rahmen eines kammermusikalischen Konzertabends den Interpreten nicht immer die Möglichkeit, das kohärente Ganze zusammengehöriger, komplementärer Opuszahlen in vollem Ausmaße darzustellen. Vielmehr verlangt ein solches Podium pars pro toto nach dem Auszug, etwa aus dem Gesamt-Œuvre eines Komponisten oder seinen Beiträgen zu einer musikalischen Gattung. Ebenso zweifelsfrei aber ist die einzelne Komposition einer als Werkpaar gedachten Konzeption – wie sie das Beethoven‘sche Opus 71 ist – beim Hörer untrennbar mit der Erwartung deren Kontraparts verbunden, lässt sich die intendierte Kontrastwirkung, gerade bei einem Komponisten wie Ludwig van Beethoven, doch keineswegs bestreiten.
Und so erscheint die Idee, die düster-melancholische Schwere seines berühmten „Geistertrios“ – wie sie das norwegische Grieg Trio am Abend des 12. November 2014 bei seinem Auftritt in der Reihe der aula konzerte halle umsetzte – mit der von schier unermesslichem menschlichem Leid durchdrungenen und in Dimitri Schostakowitschs Klaviertrio Nr. 2 in e-Moll, op. 67 Musik gewordenen Tragödie des Zweiten Weltkrieges zu kontrapunktieren, wenn nicht verwegen, so doch wenigstens ungewöhnlich. Zwar spiegelte die Gegenüberstellung von Beethovens und Schostakowitschs Werken in all ihrer gattungsgeschichtlichen, stilistischen Divergenz durchaus ein Kontrastverhältnis wider, alleine die von Beethoven intendierte Wirkung der Auflösung der Melancholie, insbesondere des namensgebenden zweiten Satzes des Klaviertrios in D-Dur, op. 70 Nr. 1, blieb aus.
Dass neben den beiden Werken Ludwig van Beethovens und Dimitri Schostakowitschs auch Smetanas Klaviertrio in g-Moll, op. 15 erklang, verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Das im Jahre 1855 entstandene Werk trägt autobiographische Züge eines Komponisten, der kurz zuvor den schicksalhaften Tod seiner Tochter, Bedriska, betrauern musste, und ließ somit, trotz des inhärenten Ringens von Trauer und Hoffnung, den Wunsch nach einer, wenigstens zeitweisen, Auflösung der schwermütigen Atmosphäre des Konzertes unerfüllt.
Der musikalisch-expressiven Qualität des Ensembles tat der Charakter der Werkauswahl freilich keinen Abbruch. Insbesondere hinsichtlich der Darbietung der langsameren, dramatisch bedeutungsvollen Sätze erwiesen sich die Musiker des Grieg Trios als meisterhafte Interpreten. So vermochte die tiefschürfende Deklamation des tragischen Duktus, etwa in der Darbietung des geisterhaften Mittelsatzes des Beethoven‘schen Trios oder des Largos in Schostakowitschs op. 67, die Aula des Löwengebäudes in mitreißende Melancholie zu hüllen – nicht zuletzt dank des expressiven Spiels der Cellistin Ellen Margrete Flesjø.
Insbesondere in temporeicheren Sätzen mit ausgiebigem Klavierpart jedoch bereitete die nicht unproblematische Akustik dem Trio gelegentliche Schwierigkeiten im Zusammenspiel. So zeigten sich leichte Intonationsschwierigkeiten, etwa in der Violinstimme der Durchführung des Kopfsatzes des D-Dur-Trios Beethovens oder in der anspruchsvollen Flageolett-Introduktion des Cellos im Andante des Schostakowitsch-Werkes. Die eindrucksvolle Präzision des Pianisten Vebjørn Anvik machte allerdings diese Schwächen mühelos wett.
Trotz dieser leichten Eintrübungen verstand es das Grieg Trio, mit einer ansonsten hochwertigen und von einem außerordentlichen Maß an Emotionalität durchzogenen Darbietung dreier Klaviertrios das Publikum zu begeistern und tief in eine melancholisch-tragische Klangwelt eintauchen zu lassen. Für den Beifall der Zuhörerschaft bedankte sich das Trio mit dem idyllischen und erstmals emotional unbeschwerten Andante qiueto aus den Three nocturnes Ernest Blochs (1924) und setzte somit den Schlusspunkt eines gelungenen Konzertabends – der bittere Nachgeschmack der Schwermut jedoch blieb.
Das nächste Konzert in der Reihe aula konzerte findet am 15. Januar 2015 statt.