Mentoring: Gemeinsam Karriere und Hochschule gestalten

20.09.2013 von Corinna Bertz in Studium und Lehre, Campus
Nach wie vor streben bundesweit deutlich weniger Frauen als Männer nach ihrer Promotion eine akademische Karriere an. Um das zu ändern, läuft an der Martin-Luther-Universität seit einem Jahr das Mentoring-Programm „Im Tandem zum Erfolg“. Dabei werden Nachwuchswissenschaftlerinnen gezielt von erfahrenen Hochschullehrenden begleitet und unterstützt. Noch bis zum 13. Oktober können sich alle Doktorandinnen und Promovendinnen an der MLU für die neue Runde des Programms bewerben. Im Interview verrät Mentorin Prof. Dr. Christiane Thompson, worüber sie mit ihrer Mentee spricht und warum das Programm aus ihrer Sicht wichtig ist.

Seit einem Jahr sind Sie Mentorin im Programm „Im Tandem zum Erfolg“. Wie sieht Ihr Tandem konkret aus?

Prof. Dr. Christiane Thompson: Meine Mentee ist eine Habilitandin auf dem Weg zur Professorin. Wir tauschen uns kontinuierlich über ihren Stand der Qualifikation aus und ich berate sie dazu. Neben der fachlichen Qualifikation gehören viele andere Aspekte in diesen Qualifikationsbereich: Der Umgang mit Studierenden beispielsweise, das Vorbereiten von Vorträgen in anderen Diskurskontexten und auch Bewerbungen auf konkrete Stellen. Hier ist es sehr hilfreich, wenn Nachwuchswissenschaftlerinnen eine gesonderte Unterstützung erhalten.

Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Christiane Thompson
Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Christiane Thompson (Foto: N. Kaltwaßer)

Wie oft setzen sie sich zusammen?

Die Themen und Zeiten legen Mentorin und Mentee individuell fest. In unserem Fall haben sich sehr viele Fachgespräche ergeben. Wir haben uns aber auch regelmäßig getroffen, um über das zu sprechen, was gerade bei meiner Mentee ansteht. Wenn sie sich etwa auf eine Stelle bewerben wollte, konnten wir viel konkreter darüber sprechen, als das bei einem allgemeinen Bewerbungsseminar geschehen kann.

Welche Erfahrungen konnten Sie an Ihre Mentee weitergeben?

Mit steigendem Qualifikationsgrad sinkt der Anteil der Wissenschaftlerinnen im Wissenschaftssystem. Und das hängt nicht nur mit den Geschlechterrollen im familiären Kontext zusammen, sondern auch mit den oft unbewusst bleibenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen in der Hochschule. So ein Mentoring-Programm hilft in diesem Zusammenhang sehr – gerade bei der Sensibilisierung für diejenigen Prozesse, die dafür verantwortlich sind, dass es noch Ungleichheiten gibt.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Gleiche Verhaltensweisen werden geschlechtertypisch sehr unterschiedlich wahrgenommen. Bei der Einschätzung von Leistung wird oft eine Art Maßstab angelegt, der sich an einem männlichen Wissenschaftler orientiert. Es geht nicht nur darum, wie man sich fachlich präsentiert, sondern mit welcher Haltung man auftritt. Deshalb ist es wichtig, sich darüber auszutauschen, wie das eigene Auftreten wahrgenommen wird, und gemeinsam an der Selbstdarstellung zu arbeiten. Ein Beispiel: Wenn Frauen im Bewerbungsgespräch darauf angesprochen werden, dass sie etwas noch nicht gemacht haben, tendieren sie dazu, das noch zu betonen, während die männlichen Kollegen eher sagen: Das haben sie vor. Letzteres macht ein viel positiveren Eindruck. Mentoren können durch ihre eigenen Erfahrungen den Mentees solche Formen der Selbstdarstellung bewusst machen und dafür sensibilisieren, an welchen Stellen man auf Ungleichheiten trifft.

Über welche Themen sprechen Sie noch mit Ihrer Mentee?

Ein anderer wichtiger Punkt in unserem Mentoring war das eigene Projekt- und Zeitmanagement. Grundsätzlich gilt es im Bereich der Wissenschaft, immer bereit zu sein, das bisher Gewusste in Frage zu stellen und über den derzeitigen Kenntnis- und Wissensstand hinauszugehen. Das ist eine sehr in Anspruch nehmende Arbeit, die oft auch mit Fehleinschätzungen darüber einhergeht, wie lange man für bestimmte Dinge braucht. Tendenziell nehmen sich Nachwuchswissenschaftlerinnen sehr viel vor. Wir haben deshalb darüber gesprochen, wo man sich, etwa bei Vortragsangeboten, auch mal einschränken muss. Eine Strategieplanung, die den Mentees erlaubt, zu beurteilen, ob sie ihren Zeitplan einhalten können, ist ein ganz wichtiger Teil des Mentoring-Programms.

Wie wird das Tandem im Programm betreut?

Das Gute am Mentoring-Programm an der MLU ist, dass die Tandems vom ersten Tag an – und auch schon bei der Suche nach Mentor – durch das Gleichstellungsbüro sehr strukturiert begleitet werden. Die Mentees erhalten die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und es gibt Veranstaltungen, wo alle zusammenkommen. Davon habe ich auch profitiert. Und generell hat die Arbeitsbeziehung, die meine Mentee und ich jetzt haben, auch mir sehr geholfen. Ich habe Anregungen erhalten für die eigenen Betreuungsverhältnisse mit den Nachwuchswissenschaftlerinnen, die in meinem Bereich arbeiten. Man bekommt einen Blick dafür, wie man sie besser unterstützen kann.

Zurzeit ist das Mentoring-Programm auf Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Haushaltsstellen beschränkt.

Das ist ein großes Problem. Die Universitäten haben in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht – im Rahmen der familiengerechten Hochschule MLU etwa. Ein Problem aber ist die Ungleichheit, der Nachwuchswissenschaftlerinnen ausgesetzt sind – je nach dem, in welcher Funktion sie beschäftigt werden. Es ist jetzt schon festzustellen, dass über Drittmittel finanziertes Personal in ganz vielen Dingen dem Haushaltspersonal nachsteht. Ich sehe das als eine Entwicklungsaufgabe der Universität. Sie muss schnell dafür sorgen, dass die Gelder, die für Nachwuchswissenschaftlerinnen bereitgestellt werden, sich auch auf das Drittmittelpersonal erstrecken.

Was sollte das Mentoring-Programm – abgesehen von der Unterstützung der Nachwuchswissenschaftlerinnen – noch leisten?

Das Mentoring sollte nicht nur eine Art Begleitung und Coaching sein, sondern auch eine politische Sensibilisierung. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, die hochschulpolitische Seite des Programms zu stärken. Die Frage sollte nicht nur lauten: Wie verläuft die berufsbiographische Entwicklung der Nachwuchswissenschaftlerinnen? Eine sehr wichtige Frage ist auch: Wie können Wissenschaftlerinnen von morgen Dinge an der Hochschule verändern und mitgestalten?

Weitere Infos:

Das Mentoring-Programm „Im Tandem zum Erfolg“ richtet sich an alle Doktorandinnen der MLU, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben und diese aktiv gestalten wollen. Im November 2013 wird eine neue Mentee-Gruppe aufgenommen, Bewerbungen sind als Mentee bis 13. Oktober möglich. Mentoren und Mentorinnen, die eine Nachwuchswissenschaftlerin über den Zeitraum von ca. einem Jahr individuell begleiten möchten, werden ebenfalls noch gesucht. Auch Postdoktorandinnen, Habilitandinnen, Nachwuchsgruppenleiterinnen und Juniorprofessorinnen haben darüber hinaus die Möglichkeit, am Cross-Mentoring-Programm im Universitätsbund Halle-Jena-Leipzig teilzunehmen.

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