„This is not a Comedy“: Stephen Greenblatt über Shakespeare, Macht und Gegenwartsbezüge

20.06.2019 von Manuela Bank-Zillmann in Varia, Campus
Richard III. oder Macbeth – der grausame Machtmensch ist bei Shakespeare immer wieder großes Thema. Was das mit dem Heute zu tun hat, womöglich sogar mit Donald Trump, darüber sprach am Mittwochabend Pulitzerpreisträger Stephen Greenblatt von der Universität Harvard in der diesjährigen „Muhlenberg Lecture“.
Pulitzerpreisträger Stephen Greenblatt bei seinem Vortrag in der Aula im Löwengebäude
Pulitzerpreisträger Stephen Greenblatt bei seinem Vortrag in der Aula im Löwengebäude (Foto: Markus Scholz)

Man muss wissen, dass Professor Stephen Greenblatt mehr als nur passabel Deutsch spricht. Insofern kokettiert er zu Beginn doch ein wenig, als er – auf Englisch – sagt, dass er ja gerne seinen Vortrag auf Deutsch halten würde, aber das Ganze nun mal alles andere als eine Komödie sei – „This is not a Comedy“. Die Auftaktpointe jedoch sitzt, denn Greenblatt wird ausschließlich über die Tragödien William Shakespeares sprechen, über den Willen zur Macht und über Despoten. Über Heinrich VI., aber vor allem über Richard III., dem klassischen Schurken, der noch nicht einmal davor zurückschreckt, Kinder ermorden zu lassen.

Die Aula ist trotz der großen Hitze fast bis auf den letzten Platz gefüllt, denn Greenblatt ist nicht nur Bestseller-Autor, er ist einer der besten Kenner Shakespeares, der Begründer des New Historicism, ein Denker von Weltrang. Worüber er spricht, ist eine zentrale Frage in Shakespeares Werk und damit auch in Greenblatts neuem Buch „Der Tyrann. Shakespeares Machtkunde für das 21. Jahrhundert“: Wie ist es möglich, dass scheinbar stabile Gesellschaften Tyrannen in die Hände fallen? Warum entscheiden sich freie Menschen für Führungspersönlichkeiten, die keinen Sinn für die Gemeinschaft haben? Auch an Richard III. sieht doch jeder deutlich, dass er wenig als Staatsoberhaupt geeignet ist. Und dennoch: Richard wird nach dem Willen des Volkes König!

Donald Trumps Name fällt übrigens im Buch und am Rednerpult der Aula kein einziges Mal; Greenblatt meint ihn gleichwohl mit. Immer wieder wirft Greenblatt damit auch Schlaglichter auf die Gegenwart. Zum Beispiel, wenn er Beschreibungen der Menschen rund um Richard entwirft, die dessen Entwicklung und Machtübernahme zulassen, etwa indem sie sich darauf verlassen, dass schon alles gut geht, dass die etablierten Mechanismen funktionieren, und indem „sie normalisieren, was nicht normal ist“ oder auch indem sie Freude empfinden, wenn andere fallen.

Stephen Greenblatt sprach im Rahmen der „Muhlenberg Lectures“ auf Einladung des Amerikanisten Prof. Dr. Erik Redling, Geschäftsführender Direktor des Mühlenberg-Zentrums für Amerikastudien der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, in Halle. Dieser führte zudem in das Thema und die Bedeutung von Greenblatts Werk für die Amerikanistik und weiterer Philologien ein. Grußworte überbrachten Rektor Prof. Dr. Christian Tietje und der Dekan der Philosophischen Fakultät II Prof. Dr. Robert Fajen.

Der Name der Lecture erinnert an die herausragende Rolle der durch die halleschen Franckeschen Stiftungen und die Universität Halle geprägten 'Muhlenberg Family', einer der ersten deutsch-amerikanischen Familiendynastien, die große Verdienste im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und bei der Gestaltung der US-amerikanischen Gesellschaft erworben haben.

Kategorien

VariaCampus

Kommentar schreiben

Auf unserer Webseite werden Cookies gemäß unserer Datenschutzerklärung verwendet. Wenn Sie weiter auf diesen Seiten surfen, erklären Sie sich damit einverstanden. Einverstanden