Vergessen: Der Rektorstuhl
Fast sicher ist dagegen, dass die Stühle mit ihren braunen, fein geschwungen Holzgestellen mit aufwendigen Schnitzereien aus der Zeit um die Jahrhundertwende stammen – derjenigen vor 118 Jahren, versteht sich. Die Sitzbezüge aus orange-braunem Brokat-Imitat hingegen wurden vermutlich in einem Volkseigenen Betrieb der DDR gefertigt. Was den Stühlen auch nicht fehlt, ist das „Markenzeichen“ der Universität: die Löwentatzen.
Doch zurück zum eigentlichen Thema, wo kamen die Stühle tatsächlich zum Einsatz? Und warum sieht man sie heute nicht mehr? Begeben wir uns auf Spurensuche. Beweisstück Nummer eins: eine Fotografie aus den Beständen des Universitätsarchivs. Darauf zu sehen: zwei Männer, zwei der schlichteren, weichgepolsterten Sitzgelegenheiten und ein Talar – hübsch drapiert in der Aula im Löwengebäude. Kamen die Stühle womöglich doch nicht nur in den Senatssitzungen zum Einsatz, sondern auch bei bedeutenden Veranstaltungen im akademischen Jahreslauf?
Nähern wir uns dem Geschehen auf dem Bild noch einmal genauer: Auf der Rückseite der Fotografie stehen das Wort „Rektoratswechsel“, die Jahreszahl 1951 und die Namen Winter und Agricola. Aha! Folglich muss es sich bei dieser Aufnahme um ein bildliches Zeugnis der Amtsübergabe von Rektor Eduard Winter an Rudolf Agricola handeln. Auffällig an unserem ersten und leider auch letzten Beweisstück: Die Bezüge der Stühle müssen nach 1951 noch einmal erneuert worden sein.
War man mit dem neuen Design unzufrieden oder warum taucht der Rektorstuhl heute nur noch im Archiv auf? Vielleicht wissen Sie, liebe Leserinnen und Leser, mehr über die letzten Jahre des Rektorstuhls und haben ihn vielleicht sogar noch einmal im Einsatz erlebt. Dann lassen Sie es uns wissen. Unsere Nachforschungen sind noch nicht zu Ende. Sachdienliche Hinweise und Beweismittel werden gern entgegengenommen. Übrigens, wäre der Rektoratswechsel im Sommer nicht ein schöner Anlass, die alten Stühle zu entstauben, die Polster auszuklopfen und die Tradition neu aufleben zu lassen?