„Wir brauchen pragmatische Lösungen“
Bevor wir zur aktuellen Dienstvereinbarung kommen: Sie haben sie unterzeichnet in einer Zeit, in der sich die Situation in rasantem Tempo verändert, am Mittwoch hat die Bundesregierung den „Teil-Lockdown“ angekündigt. Denken Sie schon an die sechste Dienstvereinbarung?
Rainer Herter: Ja!
Markus Leber: Denken, ja. Aber ich gehe davon aus, dass die aktuelle hinreichend Flexibilität bietet. Wir hatten auch schon bei der letzten Dienstvereinbarung im Hinterkopf, dass es unterschiedliche Entwicklungen gibt und unterschiedliche Anforderungen in einzelnen Bereichen, gerade für Arbeitsorganisation und Wohnraumarbeit. Ich bin zuversichtlich, dass die neue Fassung nicht schon nächste Woche überholt sein wird.
Für die Wohnraumarbeit ist auch nach der neuen Dienstvereinbarung ein wichtiger Grund nötig – ist der Lockdown automatisch ein solcher?
Herter: Wenn bundesweit ein Verbot touristischer Übernachtungen besteht, Gaststätten geschlossen werden und und und… – dann muss man auch über eine Neuverhandlung der Dienstvereinbarung nachdenken und eine Ausweitung der Gründe für Wohnraumarbeit, weil es um die Reduzierung von Kontakten geht.
Leber: Das Arbeits- und das Wirtschaftsleben sind vom Lockdown nicht per se betroffen, es gibt keinen Automatismus für Wohnraumarbeit. Aber angesichts der gestiegenen Infektionszahlen und des Beschlusses der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder müssen wir das Ziel der Vermeidung von Kontakten stärker in den Blick nehmen. Dieses ist ein wichtiger Grund für Wohnraumarbeit im Sinne der Dienstvereinbarung. Gleichzeitig ist eine flächendeckende Einführung von Wohnraumarbeit an der Universität betrieblich nicht möglich; viele Tätigkeiten sind nicht geeignet für das Home-Office. Es kommt also auf den Einzelfall und auf eine verantwortungsvolle Entscheidung der Vorgesetzten an. Daher werden alle Vorgesetzten aufgefordert, zu prüfen, ob Home-Office für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz oder teilweise in Betracht kommt. Hierzu wird ein ausführliches Rundschreiben an alle Vorgesetzten versandt.
Was hat sich in der neuen Vereinbarung konkret verändert?
Leber: Inhaltlich eigentlich fast nichts.
Herter: Wir hatten deutlich früher Verhandlungsnotwendigkeit signalisiert, unter dem Zeitdruck haben wir jetzt im Wesentlichen die vierte Dienstvereinbarung fortgesetzt. Diese bietet für viele Fälle Lösungen an und ist komfortabler als das meiste, was bundesweit an Hochschulen zu finden ist. Das Problem: Wir brauchen pragmatische Lösungen, um auf Einzelfälle schnell reagieren zu können – das steht im Widerspruch zu gesetzlichen Regelungen über die volle Mitbestimmung des Personalrats. Mit der hätten Beschäftigte, die eine schnelle Entscheidung brauchen, aber keine Chance, sie zu bekommen. Da bewegen wir uns auf schmalem, aber vertretbarem Grat.
Leber: Ich glaube, für Beschäftigte und Vorgesetzte ist Kontinuität und Transparenz entscheidend. Deswegen haben wir in der Neufassung besonders Wert darauf gelegt, sie so zu strukturieren, dass sie besser lesbar ist, und klar ist, was an wen adressiert ist. Ganz wichtig ist sicher auch, dass die Vereinbarungen zur Wohnraumarbeit, die es bereits gibt, ohne erneute Einzelfallprüfung verlängert werden.
Das heißt, wer jetzt in Wohnraumarbeit ist, muss nichts veranlassen…
Herter: Unter der Bedingung, dass sie bis zum Ende der Laufzeit der vierten Dienstvereinbarung gewährt wurde, also bis zum 31.Oktober, wird sie automatisch bis zum Ende der neuen Dienstvereinbarung, also bis zum 31. März 2021, verlängert.
Leber: Das dürfte der Regelfall sein.
Wo haben Sie noch an der Verständlichkeit „geschraubt“?
Herter: Zum Beispiel bei den Meldepflichten. Und auch im Paragraph 6 – da haben wir weitere wichtige Gründe für die Arbeit im Home-Office aufgenommen.
Leber: Wir haben Fälle berücksichtigt, die in der Praxis immer wieder aufgetreten sind. Wenn zum Beispiel ein Kind morgens wegen einer Erkältung nicht in die Schule kann und es einer kurzfristigen Lösung bedarf, kann die Abteilung 3 – Personal auch ohne den Vorgesetzten eine vorläufige Regelung treffen, so dass die Beschäftigten wissen, woran sie sind. Teilweise wurde das schon so gehandhabt, aber beim Lesen der alten Dienstvereinbarung haben sich viele gefragt: Was mache ich, wenn es schnell gehen muss?
Wir haben übrigens auch eine Selbstverständlichkeit aufgenommen: die allgemeine Pandemiesituation bei den Gründen für Wohnraumarbeit. Die aktuellen äußeren Umstände – zum Beispiel die Situation des ÖPNV oder der Wohnort in einem besonders betroffenen Gebiet – spielen hier immer eine Rolle und müssen bei der Abwägung im Einzelfall berücksichtigt werden.
Letzte Frage: Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich mit einer Neufassung der Dienstvereinbarung zu Tele- und Heimarbeit von 2011 befasst. Hat man in den vergangenen Monaten etwas gelernt, was sich möglicherweise in Nach-Pandemie-Zeiten überführen lässt?
Leber: In der besonderen Situation der Pandemie hat die Wohnraumarbeit auch in Bereichen, wo wir sie für unmöglich gehalten haben, funktioniert. Man hat dabei aber auch die Grenzen der Funktionsfähigkeit gesehen. Diese Erfahrungen müssen wir auswerten und überlegen, wie man sie für den „Normalbetrieb nach Corona“ funktionsfähig ausgestalten kann. Dazu sind wir noch mitten in der Diskussion, gerade in der Verwaltung.
Herter: Für mich ist überraschend, in wie vielen Bereichen Wohnraumarbeit möglich ist. In der Vereinbarung von 2011 sind einschränkende Fristen – zum Beispiel für die Beantragung – genannt, die überprüft werden müssen. Schließlich ist es unter den Bedingungen von Corona gelungen, innerhalb von Tagen auf Wohnraumarbeit umzustellen. Das wird ein Ansatzpunkt sein.