Slavistin Željana Tunić forscht am Käte Hamburger Kolleg

26.09.2024 von Katrin Löwe in Personalia
Die Erinnerungsarbeit in der Nachkriegsgesellschaft von Bosnien und Herzegowina ist ein Forschungsthema, mit dem sich Junior-Professorin Dr. Željana Tunić ab Oktober in einem besonderen Rahmen befasst: Sie hat ein Fellowship am Käte Hamburger Kolleg in Saarbrücken erhalten. Die Hintergründe erklärt die Slavistin im Gespräch mit „campus halensis“.
Željana Tunić
Željana Tunić (Foto: Maike Glöckner)

Was sind Käte Hamburger Kollegs und wie kam es zu Ihrem Fellowship?
Željana Tunić: Käte Hamburger Kollegs werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert mit dem Ziel, exzellente Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu fördern. Ich habe mich für das neu gegründete Käte Hamburger Kolleg für kulturelle Praktiken der Reparation in Saarbrücken beworben, weil der Bezug zu meiner Forschung naheliegend war. Außerdem ist für mich der kulturwissenschaftliche Fokus interessant. Mit dem Fellowship werde ich von Oktober 2024 bis September 2025 in Saarbrücken sein. An der Uni Halle bin ich in dieser Zeit beurlaubt.

Kriegserfahrungen und Erinnerungskultur sind einer Ihrer Forschungsschwerpunkte an der MLU. Womit genau werden Sie sich in Saarbrücken befassen?
Ich möchte mich dem Thema noch stärker konzeptionell widmen. Der Titel meines Projekts lautet „Zur Kintsugi-Erinnerungsarbeit in der Nachkriegsgesellschaft Bosnien und Herzegowinas“. Die Kintsugi-Technik stammt ursprünglich aus Japan und bedeutet, dass man Bruchstellen von zusammengefügten Scherben nicht kaschiert, sondern im Gegenteil sichtbar macht, wobei das Objekt sogar an Schönheit gewinnt. Bezogen auf meine Forschungen zu Bosnien und Herzegowina geht es um Initiativen, die Kriegstraumata nicht als überwunden deklarieren, sondern sie aufdecken, künstlerisch verarbeiten und in ein neues Leben integrieren.

Können Sie Beispiele nennen?
Ein Beispiel ist der Verein „Vergessene Kinder des Krieges“. Kinder, die nach Vergewaltigungen im Krieg auf die Welt kamen, waren lange Zeit in Bosnien und Herzegowina ein Tabu-Thema. Selbst die Opfer haben es verschwiegen. Mittlerweile kommt das Thema an die Öffentlichkeit und es wurde der Verein gegründet, der sich neben der künstlerischen Aufarbeitung auch juristisch für die Betroffenen einsetzt, so dass sie zum Beispiel als zivile Kriegsopfer anerkannt werden und eine Entschädigung erhalten. Ein zweites Beispiel sind die „Rosen von Sarajevo“. Löcher, die bei den Einschlägen von Granaten während der Belagerung von Sarajevo entstanden sind, wurden mit rotem Harz befüllt und sind so heute noch im Stadtraum sichtbar.

Welche Bedeutung hat dieses Forschungsjahr für Sie?
Ich kann ein Jahr lang ohne Verpflichtungen in der Lehre und der akademischen Selbstverwaltung in meinen Forschungen weiterkommen. Das Fellowship ist eine Auszeichnung meiner Arbeit und Gelegenheit, mich mit anderen Fellows auszutauschen. Am Ende soll zudem eine Konferenz zu den jugoslawischen Zerfallskriegen stehen, die in Tutzing stattfinden wird.

Käte Hamburger Kollegs

Von 2007 bis 2019 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung zehn Käte Hamburger Kollegs an deutschen Universitäten gefördert. Geforscht wurde an ihnen zu Themenkomplexen wie Religion, Medienphilosophie, Theater- und Rechtskulturen, Arbeit oder Umwelt. Sechs neue Kollegs wurden nach 2019 eingerichtet, zu den jüngsten zählt das Kolleg „Kulturelle Praktiken der Reparation“ an der Universität des Saarlandes. Jedes Kolleg forscht zu einem Oberthema und lädt dazu Forschende aus aller Welt jeweils bis zu zwölf Monate ein. In Saarbrücken werden zwölf Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem Iran und dem Libanon, aus Uganda und Haiti, Mexiko und den USA, Bosnien und Deutschland arbeiten.

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