Zwischen Tapas-Bars und Tintenfisch
Sie haben ein Semester an der Universität Sevilla in Spanien studiert. Was hat Sie dort besonders beeindruckt?
Nadja Remus: In Spanien spielt sich das Leben auf der Straße ab. Abends, nach der Siesta, kommen die Menschen raus und sind bis in die Nacht unterwegs. Die Spanier sind lebhafter und extrovertierter als die Deutschen. Sie haben diese offene, lebensfrohe Art, die den Südländern eigen ist. Außerdem sind die Spanier viel ausgeglichener und ruhiger. An der Supermarktkasse, zum Beispiel, war es für mich anfangs ungewohnt, dass es so lange gedauert hat.
Sie studieren Spanisch und Italienisch auf Lehramt. Was haben Sie während Ihres Aufenthalts in Andalusien gelernt?
Durch die spanische Lebensweise habe ich selbst gelernt, die Dinge ruhiger angehen zu lassen. Ich bin aufgeschlossener geworden, ich habe zum Beispiel Tintenfisch probiert. Und ich bin selbstbewusster geworden. Durch die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen habe ich meine Angst verloren, mit Muttersprachlern zu sprechen. Ich habe begriffen und akzeptiert, dass es ganz normal ist Fehler zu machen. Das war die wichtigste Lektion.
Wie unterschied sich das Studium an der Universität Sevilla im Vergleich zu Deutschland?
Ich empfand das System an der Universität als viel verschulter. Es kam mir vor, als säße ich in einer Schulklasse. Das lag zum Teil auch daran, dass viele meiner Kommilitonen noch sehr jung waren. Allerdings ist der Umgang mit den Dozenten viel lockerer, nicht so förmlich wie in Deutschland. Es war für mich sehr gewöhnungsbedürftig meine Dozenten zu duzen. Aber es sorgte für eine gute Atmosphäre an der Uni und nahm mir die Angst, Fragen zu stellen.
Was waren die Höhepunkte Ihres Aufenthalts?
Die vielen Reisen waren sehr schöne Erlebnisse. Ich habe zum Beispiel Granada und Gibraltar besucht. Es gab in Sevilla eine Organisation, Erasmus Students Network (ESN), die von ehemaligen Erasmus-Studenten geleitet wird und für die Gaststudenten in Sevilla Reisen veranstaltet. Das hat mir sehr gefallen, denn so lernte man Land und Leute viel besser kennen. Ich bin mit ESN sogar nach Marokko gereist. Ich war noch nie auf dem afrikanischen Kontinent und von Sevilla aus war es nur ein Katzensprung, aber allein wäre es mir zu gefährlich gewesen. Dabei war ich von Marokko absolut positiv überrascht – von der Gastfreundschaft und der unerwarteten Modernität des Landes.
Auf Ihrer Reise nach Marokko ist auch das Foto entstanden?
Ja, das Bild ist in Chefchaouen entstanden. Die Stadt zeichnet sich vor allem durch ihre blauen Gassen aus: die Häuser und Straßen in der Medina, der Innenstadt, sind dort blau angemalt. Wenn auch der Boden blau bemalt ist, bedeutet das, dass die Straße in eine Sackgasse führt. Diese Stadt war einfach der absolute Wahnsinn. Die Händler versuchten uns in ihre Geschäfte zu locken. Es herrschte ein reges Treiben und als wir so durch die Gassen liefen, sah ich diesen Getreidesack, auf dem die Katze lag. Das sah so hübsch aus. Diesen ruhigen Moment im Gewusel der Medina musste ich einfach mit meiner Handykamera festhalten.
Sie haben vorhin von Ihrem kulinarischen Abenteuer mit dem Tintenfisch gesprochen. Wie kam es dazu?
Der Pulpo war unter einen Salat gemischt, den ich aß. Ich habe das gar nicht gewusst. Ich habe es auch nicht gleich bemerkt, denn das schmeckte überhaupt nicht wie Fisch. Ich hätte mich vermutlich nicht getraut, Tintenfisch zu probieren, aber eigentlich schmeckte es ganz gut. Ich kann es nur empfehlen. Ich kann auch den Tinto de Verano empfehlen, das ist ein Gemisch aus Rotwein und Zitronenlimonade – sehr erfrischend.
Welche besonderen Bräuche haben Sie in Spanien kennengelernt?
In Spanien ist es Brauch an Silvester Punkt 12 Uhr Mitternacht zwölf Weintrauben zu essen – mit jedem Glockenschlag eine. Diese Weintrauben gibt es in kleinen Dosen zu kaufen und sie sind relativ klein, damit man sie schnell essen kann. Das ist gar nicht so einfach.
Was mich auch total fasziniert hat, war ein Brauch in den Tapas-Bars: Dort werden kleine Mahlzeiten serviert und in einer guten Tapas-Bar wirft man die Servietten auf den Boden, wenn das Essen gut war. Das heißt, dort wo es am chaotischsten aussieht, gibt es das beste Essen.
Welches Resümee ziehen Sie nach sechs Monaten Auslandsstudium?
Ich kann jedem empfehlen, ins Ausland zu gehen. Wer die Möglichkeit hat, der sollte sie nutzen. Denn egal wo man sein Erasmus-Semester verbringt, man macht immer neue, andere Erfahrungen, wenn man eine fremde Kultur kennenlernt. Diese Erfahrungen sind nicht immer gut, aber wertvoll.