20 Jahre Unibund - „Die Idee war der Realität ein Stück voraus“
Gab es ein Vorbild für den Unibund?
Udo Sträter: Ein konkretes Vorbild gab es nicht. Der Gedanke war, dass die drei klassischen mitteldeutschen Universitäten, die relativ nah beieinander liegen, künftig noch enger zusammenarbeiten sollten. Kooperationen in der Forschung gibt es schon sehr lange. Schwieriger war es für Studierende, die Angebote anderer Universitäten zu nutzen. Durch den Unibund wollte man es ihnen erleichtern, an den Lehrveranstaltungen der Nachbarunis teilzunehmen. Langfristig sollten auch gemeinsame Studiengänge eingerichtet werden.
Was ist das Besondere am Unibund?
Ein Bund, der Universitäten aus drei unterschiedlichen Ländern vereint, ist etwas Besonderes. Drei Länder, das bedeutet: drei unterschiedliche Hochschulgesetze und drei Landesregierungen mit ihren unterschiedlichen Interessen. Diese Ausgangslage wurde aber auch als Möglichkeit einer gewissen Unabhängigkeit wahrgenommen. Es gab keine gemeinsame politische Instanz, die auf bestimmte Kooperationen drängte. Der Unibund ist aus den Universitäten selbst entstanden.
Mit welchem Projekt startete der Bund?
Zunächst war beabsichtigt, einen gemeinsamen Studierendenausweis auszustellen, um auch die Angebote der anderen Universität wahrnehmen zu können, etwa die Bibliotheksnutzung. Dieser Ausweis wurde auf Wunsch zusätzlich zum üblichen ausgestellt.
Wurde dieses Angebot angenommen?
Ich denke, in den Anfangsjahren wurde es nicht besonders stark wahrgenommen. Die Idee war der Realität ein ganzes Stück voraus. Man hat aber auch an meiner Fakultät gemerkt, dass uns Studierende aus Leipzig besuchten und dass unsere Studierenden auch zu Veranstaltungen in Jena oder Leipzig fuhren.
Wie ging es weiter?
Es wurde vereinbart, dass gemeinsame Rektoratssitzungen stattfinden sollten, in denen man sich regelmäßig austauscht. Das ist anfangs auch passiert, später jedoch nicht mehr in der Intensität. Zumindest ist das mein Eindruck; ich war damals kein Mitglied der Hochschulleitung. In den letzten Jahren ist der Bund wiederbelebt worden.
Wie wurde er wiederbelebt?
Am Anfang dieses Jahrtausends kam der Gedanke auf, dass man sich wieder häufiger treffen sollte. Diese Auffassung wurde mit der wachsenden Bedeutung von Drittmitteln forciert und vor allem durch die Exzellenzinitiative intensiviert. Alle drei Universitäten gingen davon aus, dass wir mit gemeinsamen Initiativen mehr Chancen haben.
Worin liegt die Stärke, wenn sich drei zusammentun?
Man braucht eine gewisse Menge an ausgezeichneten Forschern, um bestimmte Anträge stellen zu können und erfolgreich zu sein. Gegenüber größeren Universitäten, die einen entsprechenden Personalbestand haben, sind wir zunächst im Nachteil. Diesen Nachteil können wir ausgleichen, indem wir gemeinsam auftreten. So ist auch unser größter gemeinsamer Erfolg entstanden: das Zentrum für Biodiversitätsforschung iDiv. Es wird von allen drei Universitäten getragen und hat deshalb Modellcharakter. Die Frage ist nun, wie es gelingt, das Zentrum im Alltag zu dritt zu organisieren.
Die kleinen Fächer sind ein weiteres wichtiges Thema. Was kann der Unibund hier bewirken?
Alle drei Universitäten haben bemerkenswerte kleine Fächer. Diese Fächer zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie zwar geringe Studierendenzahlen haben und trotzdem von enormer Bedeutung sind - wissenschaftlich sowie kulturell. In diesem Bereich können wir uns gegenseitig stärken, indem wir Konkurrenz vermeiden und uns stattdessen bei den Berufungen absprechen. Wir sollten uns gemeinsam mit den Fachvertretern fragen, mit welchen Kombinationen wir die Attraktivität dieser Fächer bundes- oder weltweit stärken können.
Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?
Ein aktueller Fall in den Orientwissenschaften ist das Fach Christlicher Orient, das es deutschlandweit nur noch bei uns gibt. Zu den Orientwissenschaften können aber auch Arabistik und Islamwissenschaften gehören; partiell auch die Judaistik, wenn die Professur entsprechend besetzt wird. Wir haben in diesem Bereich in Halle zurzeit einen großen Spielraum, da bei uns drei Professuren zu besetzen sind. In Jena und Leipzig werden andere Bereiche aus diesem großen Fachgebiet abgedeckt. Mein Wunsch ist es, an diesem Punkt gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten. Die Professuren sollten komplementär aufgestellt und so ausgerichtet werden, dass sie gut miteinander kooperieren können. Gemeinsame Studiengänge und neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Forschung könnten die Folge sein. Wir haben auch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es dafür zumindest eine partielle Bundesförderung gibt. Jedesmal, wenn ich Ministerin Wanka begegne, spreche ich sie darauf an.
Neben dem iDiv und den kleinen Fächern - welche gemeinsamen Projekte laufen derzeit noch?
Viele dieser Kooperationen spielen sich auf der Ebene der Fachbereiche ab. Die Mediziner haben zum Beispiel gerade gemeinsam mit Jena das DFG-Graduiertenkolleg ProMoAge eingeworben. Das Aleksander Brückner-Zentrum für Polenstudien ist in Halle und Jena verortet. Und NutriCard ist ein großes Verbundprojekt aller drei Universitäten. Die Polymerforscher im Sonderforschungsbereich 102 - der in diesem Jahr verlängert wurde - arbeiten mit Leipzig zusammen. Ein solcher Transregio-SFB ist das Ergebnis jahrelanger enger Zusammenarbeit.
Was ist notwendig, um den Unibund langfristig zu erhalten?
Wichtig ist, dass wir die derzeitigen Aktivitäten erfolgreich weiterführen. Der Unibund lebt durch erfolgreiche Kooperationen wie das iDiv. Auch Fragen der Studierendenmobilität werden weiterhin eine Rolle spielen. Insofern war das Semesterticket, mit dem man jetzt bis nach Leipzig fahren kann, ein großer Erfolg. Gemeinsam mit der Landesrektorenkonferenz gibt es bereits Überlegungen dazu, ob wir das Ticket nicht auch auf weitere Verbünde ausweiten könnten - sofern die Bereitschaft der Studierenden dazu vorhanden ist. Denn der Unibund soll auch durch den Austausch der Studierenden leben und nicht nur durch Forschungsverbünde.