Auf den Spuren der Lehre des Buddhas
Dr. Petra Kieffer-Pülz beschäftigt sich mit der jahrhundertealten Lehre des Buddha, und zwar mit den Rechtstexten, welche die bis heute gültigen Regeln für buddhistische Mönche und Nonnen behandeln. Im Zentrum ihrer Untersuchungen stehen die Texte der in Süd- und Südostasien beheimateten Theravāda-Tradition, die in der mittelindischen Sprache Pāli abgefasst sind.
Das Pāli ist in seiner Bedeutung und Funktion dem Kirchenlatein Westeuropas vergleichbar. Es ist die internationale religiöse Sprache der Theravāda-Buddhisten in Birma, Thailand, Kambodscha, Laos und Sri Lanka. Durch das Übersetzen alter Rechtskommentare aus der Zeit zwischen 500 und 1000 nach Christus hat die Indologin bislang unbekannte, nur in Zitaten überlieferte Kommentare für die Forschung erschlossen und bestehende Wissenslücken geschlossen.
Der Kern der Forschung von Petra Kieffer-Pülz sind die sogenannten Ganthipadas –heute nur noch vereinzelt erhaltene, in Subkommentaren zitierte Kommentare. „Man muss sich die Ganthipadas als eine Art Glossar vorstellen, in welchem schwierige Wörter der alten Originaltexte und älterer Kommentare dazu erklärt werden“, sagt die Indologin, die das DFG-Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. Walter Slaje bis zu ihrem Wechsel an die Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz 2010 bearbeitete.
Für die Forschung haben die Ganthipadas deshalb einen großen Wert, weil sie einen anderweitig wenig erschlossenen Zeitraum beleuchten. „Wir wussten bislang nur sehr wenig darüber, was in Sachen Rechtsauslegung damals üblich war. In dem DFG-Projekt konnte ich mit Hilfe der Ganthipadas unterschiedliche Auslegungen aufzeigen, die verschiedenen Regionen zuzuweisen sind und ihr Absterben oder Weiterleben nachzeichnen“, sagt Kieffer-Pülz, die bis heute ab und zu an der Uni Halle lehrt.
Doch wie erforscht man jahrhundertealte Rechtstexte? Die Indologin konnte auf einen sehr großen digitalisierten Bestand von Pāli-Texten des ca. 3. Jh. v. bis 19. Jh. n. Chr. zurückgreifen. „Über die Jahre haben verschiedene buddhistische Traditionen Datenbanken der Pāli-Texte angelegt. Die Texte wurden durch Freiwillige in den Computer eingegeben.“ Doch es sind noch lange nicht alle Manuskripte erforscht. Bei zahlreichen bislang nicht erschlossenen Texten findet die Arbeit der Indologin direkt in den Klöstern statt. „Ich bin selbst in die Klöster in Sri Lanka gefahren und habe Manuskripte mit bislang nicht edierten Texten fotografiert.“ Der Zugang ist nicht immer einfach: „Einige der Mönche hatten Angst, dass ich Manuskripte aus dem Kloster mitnehmen könnte“, erzählt die Indologin.
Die Ergebnisse ihrer Arbeit hat sie in drei Bänden unter dem Titel „Verlorene Ganthipadas zum buddhistischen Ordensrecht“ veröffentlicht. Die Publikation stellt die erste detaillierte Studie zu Kommentaren der Ganthipada-Klasse dar und wird am 11. Dezember mit dem Friedrich-Weller-Preis 2015 ausgezeichnet. Der Preis wird von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften jährlich in Anerkennung hervorragender Arbeiten vorwiegend zur Geschichte, Kunst, Literatur, Sprache, Philosophie und Religion Indiens, Chinas und des buddhistischen Zentralasiens vergeben.