Azubi in der Bibliothek: Da ist Musik drin
Sie hört gern Musik. Sie singt auch gern. Und das Reden ist eine ihrer großen Leidenschaften. Trotzdem fühlt sich Undine Worbes an einem Ort sehr wohl, an dem Schweigen und Stille geboten sind: in der Universitäts- und Landesbibliothek, wo sie ihren Ausbildungsberuf erlernt. Sie ist eine von fünf Azubis, die hier ihre Laufbahn als „Fami“ beginnen – also als „Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste“.
Trotz des Ruhegebots in der Bibliothek geht es für die 23-Jährige nicht immer ruhig zu. In Schubzeiten wie heute wird es schon mal turbulent. Sie hat Thekendienst in der Zweigbibliothek in der Indologie, wo sie die meiste Zeit ihrer Ausbildung verbringt. Obwohl ihre Handgriffe nach zwei der drei Ausbildungsjahren längst sitzen und sie schnell und zügig arbeitet: Die Schlange wächst und wächst. Immer wieder klingelt das Telefon. Ein paar Sätze in freundlichem Ton. Dann nimmt sie wieder Bücher entgegen, gibt Bände aus, informiert über geeignete Titel.
Zwischendurch muss sie plötzlich weg, sich mit einer Kollegin besprechen. Sie kümmert sich um eine der stets besonders dringlichen „Subito“-Bestellung – und zwar sofort, wie es das lateinische Wort gebietet. In so einer Bibliothek ist also doch ganz schön Musik drin. Bei alledem bleibt ihr freilich keine Zeit, bei Hesse, Kafka oder Frisch zu schmökern, wie sie das privat gern macht. „Während der Arbeitszeit liest man allenfalls die Titelaufnahme der Bücher“, sagt Worbes. Das Bild von der ungestört lesenden Bibliotheksangestellten: Es ist eine Mär.
Zum Auslandspraktikum nach Cardiff
Spaß hat sie trotzdem. Als schönstes Erfolgserlebnis empfindet sie es, wenn sie einem Nutzer so helfen könne, dass dieser genau finde, was er haben möchte, ohne dass dieser gewusst habe, was das sein würde, als er kam. Mit anderen Worten: wenn sie auch vage Wünsche vollends erfüllen kann. Solche Fähigkeiten rühren nicht nur von einer Begabung her. Worbes erhält auch umfassende theoretische Schulungen. Fünf Mal im Jahr hat Worbes je drei Wochen Unterricht in der Berufsschule in Sondershausen. Da lernt sie auch den deeskalierenden Umgang mit schwierigen Nutzern. Es soll ja Leute geben, die diskutieren, weil sie Mahngebühren nicht bezahlen wollen.
Sechs Wochen absolvierte Worbes ein Auslandspraktikum in der walisischen Hauptstadt Cardiff. Eine davon verbrachte sie in einem Sprachkurs, die restlichen fünf in einer Musikbibliothek, wo es – rein akustisch – wohl auch ziemlich ruhig war. „Es war toll, die Stadt und viele Leute aus anderen Ländern kennenzulernen“, schwärmt Worbes von dieser Zeit. Sie könne sich ein weiteres Praktikum in Frankreich vorstellen. Cardiff finanzierte sie mit einem Stipendium, um das sie sich selbst gekümmert hatte. Zu solchen Erfahrungen werden die Fami-Azubis auch explizit ermutigt. Diese guten Fortbildungsmöglichkeiten seien es, die Worbes an ihrer Ausbildung in der Uni besonders schätze – neben der fairen Vergütung und den guten Arbeitsbedingungen.
Wenn Worbes auch noch nicht alle der über fünf Millionen Bände der ULB in der Hand hatte – sie kennt und schätzt die Arbeit in dieser Bibliothek mit ihren wertvollen Sondersammlungen und seltenen Handschriften. Und auch ihr Zuhause profitiert von ihrer Ausbildung, denn inzwischen ist Ordnung für Worbes mehr als nur das halbe Leben. Dort, wo die von ihr geliebten Klänge von Led Zeppelin oder Björk gestattet sind, systematisiert sie in aller Ruhe ihre Regale. „Die Bücher sortiere ich thematisch, CDs und DVDs alphabetisch.“