„Babett Weigel, die bekannteste Unbekannte“
Im Internet kursieren diverse Vermutungen. „Ich habe ja die Theorie, dass es Babett Weigel gar nicht gibt. Niemand würde sich dem Zorn von circa 20.000 Studenten aussetzen“, schreibt ein Student bei Twitter. Jemand anderes: „Vielleicht schreibt Babett Weigel die Mails gar nicht, sondern Manuel Neuer.“ Am treffendsten ist wohl die Aussage: „Babett Weigel, die wohl bekannteste Unbekannte der Uni Halle.“
Drittes Obergeschoss im Institut für Musik in der Kleinen Marktstraße. Eine Frau mit langen, braunen Haaren öffnet strahlend die Tür. Das Büro ist lichtdurchflutet, die Möbel mahagonifarben. „Einen Moment, ich muss noch kurz telefonieren“, sagt sie und greift zum Telefonhörer. Kurz darauf klopft es an der Tür und eine Studentin fragt nach dem Schlüssel für den Konzertsaal. „Ich verschicke nicht nur Mails, auch sowas gehört zu meinen Aufgaben“, erzählt Babett Weigel.
Die 43-Jährige arbeitet seit sieben Jahren am Musik-Institut, seit drei Jahren verschickt sie die Konzerteinladungen des Instituts an alle Angehörigen der Universität. „An wirklich alle. Vom Studenten bis zum Professor. Natürlich stößt das nicht immer auf Wohlwollen“, sagt sie. Während die Reaktionen auf die Veranstaltungshinweise am Anfang noch nett waren, wurde im Laufe der Zeit der Ton etwas schärfer. „Manchmal antworte ich und erkläre, dass ich niemanden aus dem Verteiler löschen kann. Aber auf bitterböse Mails gehe ich gar nicht ein. Wer sich daran stört, soll meine E-Mails einfach löschen oder in den Spam-Ordner leiten.“
Als die gebürtige Hallenserin am 1. September 1988 ihre Ausbildung in der Studienabteilung der Pharmazie begann, stand die E-Mail noch am Anfang ihres Erfolgszuges. „Alles, was wir damals beigebracht bekommen haben, ist heute nicht mehr typisch. Ich habe auf der Schreibmaschine gelernt. Und Ordnersysteme mit Karteikästen angelegt. Heute macht das ja alles der Computer.“ Zwei Jahre lang lernte sie alle Aufgaben des Sekretariats, die Professoren und vor allem Studierende kennen.
„Wir haben Hausarbeiten und Krankenscheine entgegengenommen. Und ich habe noch heute viel mit Studenten zu tun, das macht mir Spaß.“ Von den damals vier Sekretariats-Azubis arbeitet nur noch Babett Weigel an der Universität. Nur einmal, kurz nach Wende, überlegte sie die Hochschule zu verlassen und zum Gericht in Halle zu gehen. „Ich war auch schon beim Vorstellungsgespräch. Es lief gut, aber dann dachte ich mir, es wäre eine Dummheit von der Uni wegzugehen.“
Bis zur ihrer zweiten Babypause im Jahr 2000 arbeitete Babett Weigel in der Pharmazeutischen Biologie. „Danach habe ich mich auf eine halbe Stelle beim Sport beworben. Das war super. Mein Sohn ging damals in die erste Klasse und solange meine Tochter klein war, wollte ich sie als Mittagskind aus dem Kindergarten abholen.“ Familie ist ihr Ausgleich zur Arbeit. 2006 stieg sie dann wieder voll in den Job ein.
Mit einer neuen Aufgabe: Neben ihrer Arbeit am Department für Sport war sie nun auch halbtags am in der Abteilung Musikpädagogik / Künstlerische Praxis tätig. Seit sieben Jahren widmet sie sich nun ausschließlich der Musik, erledigt Sekretariatsaufgaben, pflegt Lehrveranstaltungen im Stud.IP, einer Informations- und Kommunikationplattform für Studierende, ein und führt den Belegungsplan für die Konzertsäle. An mehreren Instrumenten im Haus können die Musiker üben und sich auf ihre Prüfungen vorbereiten.
„Ich spiele selbst aber kein Instrument. Ich habe in der Schule nur mal Blockflöte gelernt“, sagt sie und lacht. „Aber ich mag Musik trotzdem sehr gern. Und nicht nur Klassik, sondern auch Pop.“ Auch die Konzerte der Musikwissenschaften sind vielseitig: Rock, Pop, Jazz. Wer die E-Mails von Weigel liest, der weiß das. „Ich bekomme auch viele Mails mit Nachfragen: Muss ich mich anmelden? Kostet das was? Und auch positive Reaktionen von Menschen, die sich über die Veranstaltungshinweise freuen.“ Ob sie die Aufgabe schon einmal abgeben wollte?
„Ach, ich hab die volle Unterstützung vom Institut und alle sind hier so herzlich und freundlich. Außerdem machen mir die Reaktionen auch nichts aus. Irgendwie ist es schön, dass mittelweile viele meinen Namen kennen. Ich will das gar nicht mehr abgeben“, sagt sie, rollt mit ihrem Schreibtischstuhl ein Stück zurück und holt einen Zettel von ihrer Pinnwand. Darauf die wilden Vermutungen aus dem Internet. „Die Leute denken, dass Babett Weigel ein Fake-Name ist. Aber nein, mich gibt es wirklich.“