Studierende untersuchen lokalpolitisches Wissen der Hallenser
Der zugezogene Student, die gutverdienende Erwerbstätige oder der einheimische Rentner – die hallesche Bevölkerung ist vielseitig. Wie gut sich die Einwohner der Stadt in der Lokalpolitik auskennen und ob ihr Wissen von ihrer persönlichen Ortsverbundenheit, dem sozialen Status oder den politischen Ansichten beeinflusst wird, war Thema einer Projektarbeit von fünf Studierenden der Politikwissenschaft. „2019 wird ein sehr politisches Jahr für die Bürger in Halle, da gleich mehrere Wahlen anstehen. Genaues Wissen über die aktuelle Politik ist die Grundlage für eine informierte Entscheidungsfindung“, sagt Pia Jorks, Studentin der Politik- und Wirtschaftswissenschaften. „Gerade auf kommunaler Ebene ist in Sachsen-Anhalt bisher kaum erforscht, wie gut die Bevölkerung über die Lokalpolitik Bescheid weiß.“
Im Sommersemester hat die Gruppe insgesamt 120 volljährige Personen in 15 verschiedenen Stadtteilen von Halle befragt. „Wir haben mithilfe einer Stichprobe versucht, ein gleichmäßiges Verhältnis der Geschlechter und Altersgruppen herzustellen. Außerdem waren wir zu unterschiedlichen Tageszeiten unterwegs. Vormittags trifft man zu Hause zum Beispiel viele Studierende und Hausfrauen an, nachmittags auch die werktätige Bevölkerung“, erzählt Pia Jorks.
Die Teilnehmer der Befragung sollten ihren Wissensstand zur Lokalpolitik zum einen selbst einschätzen. Zum anderen wurden sie von den Studierenden auf Faktenkenntnis getestet: Sie sollten zum Beispiel das Jahr der nächsten Stadtratswahlen oder den Nachnamen des aktuellen Oberbürgermeisters Bernd Wiegand nennen. Ob sie aktuelle lokalpolitische Themen wie die öffentlichen Debatten um das Hausprojekt „Hasi“ oder um die Hochhausscheiben in Halle-Neustadt kennen, war ebenfalls Teil der Befragung. Um herauszufinden, von welchen Faktoren das lokalpolitische Wissen beeinflusst wird, fragten die Studierenden außerdem nach persönlichen Lebensumständen wie dem Alter, der Wohndauer in Halle, dem monatlichen Einkommen oder der politischen Einstellung. „Zuerst war es schon eine Überwindung, loszuziehen und die Leute in ihrem Zuhause zu befragen. Während der Befragung muss man sehr konzentriert sein und darf sie in ihren Antworten nicht beeinflussen“, so die Studentin.
Insgesamt habe die hallesche Bevölkerung bei der Befragung gut abgeschnitten: „Wir haben herausgefunden, dass unter den Hallensern ein hohes bis sehr hohes Wissen über die Lokalpolitik vorhanden ist“, sagt die Studentin. Ebenso habe das Projektteam bei den Befragten eine starke Verbundenheit zur Stadt festgestellt. Auch ein geringer bis mittlerer sozialer Status sowie eine eher links-mittige politische Orientierung seien sehr häufig gewesen. Die statistischen Auswertungen haben einige Zusammenhänge mit dem lokalpolitischen Wissen der Befragten ergeben: „Je höher die Ortsverbundenheit, je älter die Person und je besser die Lebensumstände sind, desto größer ist das lokalpolitische Wissen“, erklärt Pia Jorks. Eine ihrer Vermutungen konnte die Gruppe jedoch nicht nachweisen: „Dass die Bürger sich besser auskennen, je weiter links sie sich in ihrer politischen Orientierung einschätzen, trifft nicht zu.“ Dementsprechend sei für den lokalpolitischen Wissensstand nach den Erkenntnissen der Studierenden eher nebensächlich, welche politische Orientierung eine Person hat.
„Natürlich gibt es immer noch Möglichkeiten, den Wissensstand der Bürger auszubauen. Gerade junge Leute müssen sich noch mehr mit der Stadt verbunden fühlen und stärker einbezogen werden. Kampagnen oder Infoveranstaltungen könnten auch in sozial schwächeren Vierteln wie Halle-Neustadt das Bewusstsein für lokalpolitische Themen stärken“, schlussfolgert die Studentin. Trotzdem seien 120 Interviews nicht genug, um die Ergebnisse auf die gesamte Bevölkerung von über 240.000 Personen zu beziehen: „Es ging vor allem darum, dass wir einmal eine empirische Studie von A bis Z durchgeführt haben.“
Dr. Kerstin Völkl, Dozentin am Institut für Politikwissenschaft und Japanologie und Betreuerin der Projektarbeit, schätzt die Ergebnisse der Projektgruppe als sehr gut ein: „Die Studierenden waren nicht nur im Umgang miteinander sehr professionell, sondern auch bei der Anwendung der methodischen Verfahren.“ Hervorzuheben sei aus ihrer Sicht auch, dass sie ein regionales Thema bearbeitet haben, da diese in der Forschung häufig recht stiefmütterlich behandelt würden. „Die geprüften Hypothesen belegen, dass der soziale Status ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, um über politisches Wissen zu verfügen. Folglich gilt es, bereits frühzeitig in der Schule die Voraussetzungen für die Vermittlung von Wissen zu schaffen. Der Einfluss der Verbundenheit mit dem Wohnort wiederum zeigt, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sein müssen, um ein solches Gefühl zu einer Stadt zu entwickeln. Hierzu kann jeder einen Beitrag leisten – sowohl die Lokalpolitiker als auch die Bürger selbst.“