Burgenforschung neu belebt
In der Ankündigung Ihres Kolloquiums ist von einer Tradition der Burgenforschung an der Uni Halle die Rede, die Sie mit neuen Ansätzen und Perspektiven verbinden wollen. Zunächst: Wie sieht diese Tradition aus?
Ute Engel: Das ist eine interessante Geschichte. Das Institut für Kunstgeschichte an der Universität Halle wurde 1903 gegründet, zu DDR-Zeiten aber stark zurechtgestutzt. Studieren konnte man das Fach dann eigentlich nur noch in Berlin und Leipzig, das Institut in Halle wurde nur noch reduziert weitergeführt. Ein wichtiger Faktor war 1954 die Etablierung eines von der DDR-Regierung geförderten Forschungsprojektes zu mittelalterlichen Burgen in Mitteldeutschland, das von dem Architekten Hermann Wäscher bis zu dessen Tod 1961 geleitet wurde. Ergänzt wurde das Projekt 1958 durch eine Kommission zur Erforschung und Erhaltung von Burgen und Schlössern in der gesamten DDR, die am Institut ihren Sitz hatte. Nach Wäschers Tod wurde die Burgenforschung von Hans-Joachim Mrusek (1920-1994) fortgesetzt. Ursprünglich wollten wir den 100. Jahrestag seines Geburtstags aufgreifen, um das Thema mit einer Tagung wieder in den Blick zu nehmen – das ist durch die Corona-Pandemie verhindert worden.
Jetzt tun Sie es – mit welchen neuen Ansätzen und Perspektiven?
Zum einen ist da das Erbe der Burgenforschung an der MLU: Es gibt ein großes analoges Archiv von Hermann Wäscher, das aus Hunderten von großformatigen Zeichnungen, frühen Fotografien und Notizen zu etwa 500 Burgen in Sachsen-Anhalt besteht. Dieses Archiv wird in unserem Bildarchiv gerade digitalisiert, weil es sehr viele Befunde enthält, die der Forschung sonst nicht zugänglich sind.
Die Tagung hat zudem das Anliegen, den Horizont zu erweitern. Wir haben zum Beispiel Vorträge zu digitalen Visualisierungen und Sektionen zur Burgenarchäologie, die auch mit ganz neuen Methoden arbeitet, oder einen öffentlichen Abendvortrag des Vizepräsidenten der Deutschen Burgenvereinigung zu Burgenlandschaften. Die Königspfalzen werden Thema sein, zudem werden wir Stimmen aus aktuellen Forschungsprojekten und auch aus der Denkmalpflege haben. Interdisziplinär haben wir die Literaturwissenschaft im Boot – die relativ neu an die MLU berufene Kollegin Prof. Dr. Simone Schultz-Balluff arbeitet zur höfischen Jagd in mittelalterlichen Texten und Bildern. Zu Wandmalereien des 13. Jahrhunderts auf Burgen haben wir einen Kollegen aus Bonn eingeladen.
Welche Impulse versprechen Sie sich von der Tagung auch für die Zukunft?
Ich erhoffe mir, dass wir die Burgenforschung verstärkt und in interdisziplinärer Weise in den Mittelpunkt stellen und so die Tradition wiederbeleben, damit sie auch für Studierende wieder ein Thema wird. Sonst dominiert in der Mittelalterforschung oft die kirchliche Kultur. Erst in den letzten Jahren – in Verbindung mit der Beschäftigung mit dem Nachlass von Hermann Wäscher und dem neuen Projekt des Repertoriums der deutschen Königspfalzen – ist sie wieder an unserem Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas in den Fokus gerückt.
Wie sieht das Teilnehmerfeld aus?
Uns ist es gelungen, wichtige Burgenforscherinnen und -forscher zusammenzubringen – aus der mitteldeutschen Region, aber auch aus Bamberg, Bonn, Mainz, München oder Wien. Bisher haben wir schon über 80 Anmeldungen, offensichtlich haben wir ein wichtiges Thema angesprochen. Der Zuspruch freut uns sehr.
Tagung Landschaft – Herrschaft – Repräsentation. Burgen und Pfalzen in Mitteldeutschland und Mitteleuropa
10.-12. Februar 2023
Steintor-Campus, Hörsaal II, Emil-Abderhalden-Str. 28
Anmeldung bis 31. Januar 2023
weitere Infos und Programm im Veranstaltungskalender der MLU