Chormusik ohne Praxisschock

01.03.2023 von Katrin Löwe in Campus, Studium und Lehre
Plötzlich stehen sie vor 50 Kindern und alles ist anders als an der Universität: Lehramtsstudierende der Musik sollen im Studium besser auf die Leitung eines Chors vorbereitet werden. Fabian Pasewald, seit vier Jahren Lehrbeauftragter am Institut für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften, hat dafür das Modellprojekt „Chor@Schule“ gestartet. Was es beinhaltet und was am Ende den Unterschied macht, erklärt er im Interview.
Fabian Pasewald leitet selbst mehrere Chöre und will Studierende besser auf diese Aufgabe vorbereiten.
Fabian Pasewald leitet selbst mehrere Chöre und will Studierende besser auf diese Aufgabe vorbereiten. (Foto: Anne Hornemann)

Sie sind Lehrbeauftragter für den dirigiertechnischen Grundkurs und Chorleitung. Zunächst einmal die Frage: Wie muss ich mir die Lehre in diesem Bereich denn aktuell vorstellen?
Fabian Pasewald: Sie sieht zur Zeit vor, dass die Studierenden zwei Semester lang Kleingruppenunterricht in den dirigiertechnischen Grundlagen haben und dann zwei Semester in Chorleitung. Die Gruppen bestehen jeweils aus vier Personen – einem aktiven Studierenden am Pult und drei beziehungsweise mit Dozent vier Personen, die singen oder Klavier spielen.

Das heißt, einer oder eine hat jeweils die Chorleitung, der Rest der Gruppe ist der Chor…
Genau. Nur bestehen reale Chöre in der Regel aus mehr als drei Leuten. Nach dem Studium stehen die jungen Lehrkräfte dann plötzlich vor 50 Unterstufenkindern und einige erleben einen  Praxisschock, weil sie merken, dass Chorleitung so ganz anders funktioniert als an der Uni. Wie Sie mit so vielen Kindern kommunizieren, das können Sie nicht mit drei Studierenden in der Kleingruppe simulieren. Die Methodik, die Art der Vermittlung ist eine komplett andere. Was wir im Studium vermitteln, funktioniert mit einem ambitionierten Oberstufenchor, das kann ich mir gut vorstellen. Aber wir wissen alle: Wenn man einen Oberstufenchor haben möchte, muss man mit den Kindern anfangen. Und die verhalten sich auf ihre eigene intuitive Art ganz anders.

Aus dem Dilemma wollen Sie mit Ihrem Projekt herauskommen. Wie sieht das aus?
Man kann ja nicht ständig Kinder in die Uni holen, also habe ich alle Schulen in Halle angeschrieben und gefragt, ob sie Interesse an dem Projekt haben. Das Ziel ist, dass Studierende bei den Schulchören hospitieren oder auch in Absprache mit der jeweiligen Chorleitung erste eigene Schritte im Ensemblemusizieren machen. Ich habe von einigen Schulen positive Rückmeldungen bekommen, aus organisatorischen Gründen beginnen wir mit den Schulchören von zwei Gymnasien. Bis Ende März sind zehn Studierende in zwei Gruppen wöchentlich dort bei den Proben. Ich begleite sie und vermittle, so dass es für beide Seiten sinnvoll ist.

Und dann?
Das Projekt findet jetzt außerhalb des Curriculums und in der vorlesungsfreien Zeit statt. Ich möchte am Ende schauen, wie es gelaufen ist, und mit den Chorleitern sprechen, ob sie sich eine Fortsetzung nach Ostern vorstellen können. Da beginnt auch das Sommersemester, ich hoffe, dass sich dann sogar mehr Studierende beteiligen. Bisher zeigt mir das Interesse der Schulen: Da wäre Potenzial für mehr. Ich würde den Gedanken der Vernetzung von Theorie und Praxis gern langfristig in der Lehre anlegen. Bisher muss man Glück im Schulpraktikum haben oder sich über die Uni hinaus engagieren.

Was motiviert Sie, sich dafür einzusetzen?
Die Studierenden selbst wünschen sich, dass sie mehr schulische Realität schon im Studium erleben, besonders im Bereich Chorleitung. Ich bin selbst ein überzeugter Chormensch. Ich leite den Unichor und die Singschule in Jena und habe das „Junge Mitteldeutsche Vokalensemble“ gegründet, das sich unter anderen aus Musikstudierenden der Uni Halle zusammensetzt. Ein Anliegen von mir ist, dass jede Schule einen Chor hat – und an dieser Stelle an der Universität habe ich die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, wie gerne die Studierenden später mal einen Chor leiten wollen.

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