Medienethik und Theologie: Constantin Plaul erhält den Wolff-Preis

26.04.2024 von Katrin Löwe in Campus, Personalia
Für seine Habilitationsschrift zu evangelischer Medienethik im digitalen Zeitalter erhält PD Dr. Constantin Plaul heute in festlichem Rahmen in der Aula den Christian-Wolff-Preis der Universität. An der MLU hat der Theologe seit 2009 seine wissenschaftliche Karriere verfolgt, auch in schwierigen Phasen.
Constantin Plaul
Constantin Plaul (Foto: Markus Scholz)

Es war die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, die 2017 den entscheidenden Ausschlag gegeben hat. Seitdem wird viel diskutiert, welche Rolle Medien, insbesondere soziale Medien, für den Erfolg des Amerikaners spielen. Constantin Plaul, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Systematische Theologie, war zu der Zeit gerade auf der Suche nach einem Thema für seine Habilitationsschrift. Ein Freund sei es gewesen, der ihm mitten in einer Diskussion über Trump und die Medien auf den Kopf zugesagt hat: „Mach doch Medienethik!“

Gesagt, getan, auch wenn das nicht so einfach war, wie es klingt, erinnert sich Plaul. Was genau versteht man heute unter Medienethik? Und was hat Theologie damit zu tun? „Es liegt nicht sofort auf der Hand, wie sich das alles verbindet“, sagt der 43-jährige gebürtige Weimarer. In der Theologie gebe es zwar eine breite Beschäftigung mit Medienphänomenen, auch mit sozialen Medien. Allerdings eher in der praktischen Theologie, zum Beispiel der Religionspädagogik. Was er aber nicht gefunden habe, sei eine systematische Klärung, was Medienethik aus theologischer Perspektive sein soll. Ursprünglich eine reine Professionsethik aus dem Journalismus, habe sich das Feld der Medienethik in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter ausgeweitet. Ein Schlüsselmoment für seine Arbeit sei ein Buch des Philosophen Julian Nida-Rümelin über Ethik im digitalen Zeitalter gewesen, sagt Plaul. Selbst er, ein „dezidiert säkularer Philosoph“, habe dabei christliche Symbole genutzt, wie etwa die „Gottebenbildlichkeit des Menschen“ zur Symbolisierung von dessen Freiheit und Kreativität.

Gottebenbildlichkeit ist dann auch das erste Prinzip, das Plaul für eine christliche Medienethik nennt – in medienethischer Interpretation als Bestimmung des Menschen zu freiem Mediengebrauch. Ein weiteres ist Nächstenliebe, wozu für ihn gehört, in einer Mediengesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Ein Beispiel sei die Verantwortung von Eltern für den Medienkonsum ihrer Kinder – aber auch für den eigenen. Darüber hinaus thematisiert Plaul Prinzipien wie das „Reich Gottes“ – hier geht es um Gerechtigkeit – und „Sünde und Rechtfertigung“. Bei letzterem fokussiert er zum Beispiel auf etwas, was er als „Verdammungsprozesse“ bezeichnet oder vereinfacht formuliert als ausufernden Shitstorm, weil Menschen viel zu schnell und vernichtend auf etwas vermeintlich Problematisches reagieren, ohne dabei sich selbst zu hinterfragen.

Für alle Prinzipien beschreibt Plaul in seiner Arbeit nicht nur abstrakte Forderungen, sondern fragt auch nach faktischen, meist institutionellen Realisierungen. Dazu zählen etwa die Verankerung von Rechten wie freier Meinungsäußerung und Informationsfreiheit im Grundgesetz oder beim Prinzip der Verantwortung die zahlreichen Regelungen in Mediengesetzen, -verträgen oder in zivilgesellschaftlichen Institutionen. Und er nennt Spannungen und Konflikte, die dabei auftreten können – deren Bearbeitung nicht ohne urteilsfähige Individuen gedacht werden kann. Die Preisvergabekommission der Uni hat das überzeugt: Der Theologe erhält den mit 1.500 Euro dotierten Christian-Wolff-Preis für seine Habilitationsschrift „Darstellung und Kommunikation im Geiste Christi. Geschichtlich-systematische Grundlegung evangelischer Medienethik für das digitale Zeitalter."

Es ist ein weiterer, besonderer Punkt in seiner Karriere. Dass die ihn überhaupt in die Theologie geführt hat, war nicht zwingend vorhersehbar. Als Abiturient in den „turbulenten 1990ern“ wusste Constantin Plaul zunächst nur, was er alles nicht werden wollte. Philosophisches und theologisches Interesse war da. Aber: „Ich habe auf einen Aha-Moment gewartet“, sagt er. Der kam nicht beim Abi, auch noch nicht im Zivildienst. Erst die Erfahrungen bei einem einjährigen England-Aufenthalt in einem Retreat-Haus der anglikanischen Kirche hätten den Ausschlag gegeben, sagt er heute. Der Umgang dort, die Kommunikation miteinander beeindruckten ihn. Plaul begann in Göttingen, Theologie und Philosophie zu studieren, ging dann für ein halbes Jahr nach Japan und beendete 2009 das Theologie-Studium an der MLU. Halle und sein späterer Doktorvater Prof. Dr. em. Ulrich Barth waren ihm empfohlen worden, unter anderem wegen der starken Verbindung von philosophischen und theologischen Fragen. Die MLU sollte auch der erste Ort sein, an dem der Theologe eine Anstellung fand. „Ich hatte schon sehr früh im Studium den Wunsch zu promovieren“, sagt er. Wie später bei der Habilitation war nur die Frage: Wozu? Plauls Dissertation befasste sich schließlich mit dem Wissenschaftsphilosophen Wilhelm Dilthey (1833-1911). Sie wurde mit der Bestnote Summa cum laude bewertet.

Einfach war die wissenschaftliche Karriere von Constantin Plaul jedoch keineswegs. Es gab Unsicherheiten, Arbeitslosigkeit. Und das schlechte Gewissen. Schon während seiner Dissertation war Plaul Familienvater dreier Kinder. Windeln wechseln, statt auf Tagungen zu fahren, und zu publizieren sowie zu forschen, anstatt mehr Zeit auf dem Spielplatz zu verbringen: „Es war ein Dauergefühl, dass man nicht genug macht – auf beiden Seiten, familiär und akademisch.“ Dazu kam, dass er noch vor der Abgabe der Dissertation mehrere Jahre lang berufsbegleitend ein Vikariat absolvierte. An die Belastung in der Kombination Dissertation, Arbeit, Vikariat denkt er noch heute nur ungern zurück. Aber es funktionierte, sagt er, nicht nur durch die Hilfe und das Verständnis seines Vorgesetzten Prof. Dr. Jörg Dierken, sondern auch und vor allem Dank der Unterstützung seiner ebenfalls berufstätigen Frau und der Familie insgesamt.

Zu Plauls aktuellen Forschungsvorhaben gehören unter anderem die „Geschichtszeichen der Freiheit“. In dem gemeinsam mit Dr. Karl Tetzlaff von der Stiftung Leucorea entwickelten Projekt sollen historische Revolutionsereignisse, zum Beispiel die Revolution von 1848, von 1918 oder von 1989, vor dem Hintergrund von Immanuel Kants Theorie des Geschichtszeichens auf ihr Gestaltungspotenzial für gesellschaftliche Zukunftsaufgaben hin untersucht werden. Eine gleichnamige Ringvorlesung, die sich mit Deutungen der friedlichen Revolution von 1989 in der Gegenwart befasst, ist gerade erst mit einem Vortrag von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck gestartet. In diesem und im kommenden Semester vertritt Plaul die Professur für Systematische Theologie (Religionsphilosophie/Dogmatik) an der Universität Hamburg.

Festveranstaltung und Übergabe der Universitätspreise

Die MLU veranstaltet heute für ihre Promovenden und Habilitanden eine Festveranstaltung in der Aula des Löwengebäudes. Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die ihre Promotion mit der Bestnote „summa cum laude“ abgeschlossen haben, werden zudem mit der Luther-Urkunde der MLU ausgezeichnet. Weiterhin werden die Universitätspreise für besonders herausragende Arbeiten vergeben.

Den mit 1.500 Euro dotierten Christian-Wolff-Preis 2024 erhält PD Dr. Constantin Plaul für seine Habilitation zum Thema „Darstellung und Kommunikation im Geiste Christi. Geschichtlich-systematische Grundlegung evangelischer Medienethik für das digitale Zeitalter“.

Die Dorothea-Erxleben-Preise 2024 werden zwei Mal, jeweils mit einer Dotierung von 1.000 Euro, vergeben. Dr. Kim Philip Linoh erhält den Preis für seine Dissertation „Der rechtfertigende Notstand im Medizinrecht - Eine Untersuchung zum systematischen Verhältnis des rechtfertigenden Notstandes zu medizinrechtlichen Ge- und Verboten“. Dr. Niels Valentin Heise erhält ihn für seine Dissertation „Synthese antitumoraktiver Triterpen-Carbonsäure-Derivate und deren biologische Evaluierung“.

Der Anton-Wilhelm-Amo-Preis 2024 wird geteilt und an zwei Preisträgerinnen vergeben: Michelle Marofke wird damit für ihre Masterarbeit „Eine quantitative Studie des mitochondriellen Transkriptoms der Modelpflanze Arabidopsis thaliana“ geehrt; Jenny Appel für ihre Masterarbeit „Schwangerschaftsabbrüche in Halle (Saale) und Umgebung. Eine kritische Betrachtung bestehender Spannungsfelder“. Die Gesamtdotierung beträgt 1.000 Euro.

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