Die Geheimnisse alter Münzen

23.02.2022 von Birgit Pfeiffer in Wissenschaft, Forschung
Die Geschichte Zentralasiens liegt für Historiker teils noch im Dunkeln. Insbesondere über die Königreiche der Griechen, die im Zuge der Eroberungen Alexander des Großen Fuß fassten, ist nur wenig bekannt. Der Altertumshistoriker und Archäologe Gunnar Dumke hat 4.500 Münzen untersucht, die weit mehr Aufschluss über die Herrscher geben als die schriftlichen Quellen.
Gunnar Dumke vor einem Monitor, auf dem Bilder einer Silbertetradrachme des indo-griechischen Herrschers Archebios zu sehen sind (Staatliche Museen zu Berlin, Fotograf: Lutz-Jürgen Lübke). 4.500 solcher Münzen hat Dumke untersucht.
Gunnar Dumke vor einem Monitor, auf dem Bilder einer Silbertetradrachme des indo-griechischen Herrschers Archebios zu sehen sind (Staatliche Museen zu Berlin, Fotograf: Lutz-Jürgen Lübke). 4.500 solcher Münzen hat Dumke untersucht. (Foto: Jens Schlüter)

Im 4. Jahrhundert v. Chr. begann mit Alexander dem Großen das Zeitalter des Hellenismus, der Feldherr dehnte sein Herrschaftsgebiet bis in den indischen Subkontinent aus. „Zu Alexanders Eroberungen gehörte das Gebiet nördlich und südlich des Hindukuschs, das heute zu Afghanistan, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan und Indien gehört“, sagt Gunnar Dumke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Alte Geschichte der MLU. „Dort siedelte er zunächst im Norden griechische Söldner an. Diese Gräko-Baktrier machten sich selbstständig und setzten eigene Könige ein“, erklärt er. Irgendwann seien diese jedoch selbst von Nomadenvölkern bedrängt worden und nach Süden gezogen, über den Hindukusch nach Indien. „Diese Herrscher nennen wir heute Indo-Griechen.“ Um die Zeitenwende verlor sich ihre Spur.

„Tatsächlich wissen wir über sie nur sehr wenig, weil dieses Gebiet von den griechischen Machtzentren zu weit weg war, als dass Nachrichten von dort von großem Interesse gewesen wären“, sagt Dumke. „Die klassischen Quellen verraten uns kaum etwas oder sind nur fragmentarisch vorhanden.“ Anders als in Griechenland habe es in dieser Region bisher auch nur wenige systematischen Ausgrabungen gegeben. Dennoch gibt es bedeutsame Funde, die Rückschlüsse zulassen: Münzen, die jene Herrscher im Laufe ihrer Zeit prägen ließen und in Umlauf brachten. „Aus der Literatur kennen wir die Namen von acht gräko-baktrischen und indo-griechischen Herrschern. Wenn wir jedoch die Münzen zählen, auf denen unterschiedliche Herrscher abgebildet sind, kommen wir auf über 40. Das ist ein erstaunlicher Unterschied.“

4.500 Münzen aus der Zeit der Indo-Griechen hat Gunnar Dumke weltweit in Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen und in Auktionskatalogen ausfindig gemacht und für seine Dissertation untersucht. Dabei konzentrierte er sich auf die Münzen von 20 Herrschern, die um 150 bis 60 v.Chr. südlich des Hindukusch unterwegs waren. Alle haben gemeinsam, dass auf der Vorderseite – dem Avers – der Herrscher abgebildet ist, der die jeweilige Münzserie emittiert hat. „Das hat Alexander der Große eingeführt und war im Mittelmeerraum so üblich“, sagt Dumke. Auf der Rückseite, dem Revers, sind Gottheiten dargestellt. Dass die 20 Herrscher oft in Militärrüstung posieren, lässt den Schluss zu, dass die Münzen hauptsächlich als Sold für Feldzüge geprägt wurden – dass also kriegerisches Geschehen eine zentrale Rolle in dieser Zeit gespielt haben mag. „Das würde auch erklären, warum wir 20 Herrscher in einer so knappen Zeit vorfinden. Sie haben sich möglicherweise gegenseitig bekriegt“, so Dumke. „Oder sie haben sich die Gebiete in einer Weise aufgeteilt, die uns noch nicht bekannt ist.“ Dass es Kriegsgeschehen gab, gehe auch aus den wenigen bekannten indischen Quellen hervor, so der Forscher.

Um mehr über die Anzahl und Verbreitung der Münzen zu erfahren, wandte Dumke die numismatische Methode der Stempelkoppeluntersuchung an. Dabei werden Vorder- und Rückseiten von Münzen bis aufs kleinste Detail verglichen. Zum Prägen wurden damals zunächst die Stempel für Vorder- und die Rückseite jeweils per Hand gefertigt. Die Rückseitenstempel nutzten beim Prägen schneller ab und mussten öfter ausgetauscht werden – ein Umstand, der der Forschung zugute kommt. Denn die wechselnden Kombinationen von Aversen und Reversen von Münzen einer Serie können Aufschluss über Prägeserien geben. Forscher können so zudem die Anzahl der verwendeten Stempel errechnen. Diese ist ein Indikator für die Gesamtzahl der Münzen eines Herrschers und damit seinen finanziellen Möglichkeiten.

Wie die Münzen als Zahlungsmittel eingesetzt wurden, lasse sich jedoch nicht rekonstruieren, stellt Dumke fest. „Die meisten Silbermünzen der Studie waren zu wertvoll, als dass sie beim Einkauf für den täglichen Bedarf sinnvoll nutzbar gewesen wären“, sagt er. Bei Herrschern südlich des Hindukuschs falle auf, dass sie das Gewicht der Münzen reduzierten, um es an den indischen Standard anzupassen. „Das kann dem materiellen Mangel an Silber geschuldet sein – oder die Herrscher wollten sicherstellen, dass ihre Münzen akzeptiert wurden und mit indischem Geld getauscht werden konnten“, so der Forscher. Die Beschriftung wurde nun zweisprachig aufgeprägt – und auch die Darstellungen passten sich mehr an Indien an. „Einige der griechischen Herrscher werden symbolhaft mit Elefanten dargestellt und eine Zeus-Abbildung bekommt Flammen auf die Schultern gesetzt, was ihr eine Ähnlichkeit mit dem indischen Feuergott Agni verleiht.“ Dass diese kulturellen Annäherungsversuche gut ankamen, lasse sich bezweifeln, so Dumke. „Als Fremdherrscher kommen die Griechen in den indischen Quellen nicht so gut weg.“

Ein großes Problem, dem sich Dumke bewusst stellt, ist die genaue Herkunft und Nachverfolgbarkeit der von ihm untersuchten Münzen. Die Hälfte stammt aus dem Handel. Das bedeutet immer wieder auch, dass potentielles Raubgut dabei ist. Solches Material von der Studie auszuschließen, sei ethisch verständlich, jedoch aus inhaltlichen Gründen nicht empfehlenswert: „Sobald archäologische Funde wissenschaftlich publiziert sind, wird es schwieriger, sie noch einmal weiterzuverkaufen.“ In diese Richtung geht auch das internationale, von der Universität Oxford geleitete Oxus-Indus-Projekt der American Numismatic Society. Gunnar Dumke ist daran beteiligt. Ziel ist es, die tausenden weltweit in Sammlungen vorhandenen gräko-baktrischen und indo-griechischen Münzen erstmals in einer Datenbank zu erfassen und für die Wissenschaft nutzbar zu machen. Das könnte auch den mit Kunstraub befassten Behörden vor Ort helfen. „Im Museum in Peschawar, Pakistan, gibt es einen Raum, wo beschlagnahmte Funde aufbewahrt werden“, sagt Dumke. Dort lägen ganze Hortfunde in Müllsäcken, bei denen die Mitarbeiter mit dem Zählen der Münzen nicht hinterherkommen. „Mit der Forschung versuchen wir ihnen langfristig eine einfache Hilfe an die Hand zu geben, sie künftig schnell identifizieren zu können. Wir möchten dabei helfen, ihren Kulturschatz und ihre Geschichte zu bewahren.“

Gunnar Dumke
Institut für Altertumswissenschaften
Tel.: +49 345 55-24013
E-Mail: gunnar.dumke@altertum.unihalle.de

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