Die Ingenieurin auf der Karriereleiter

13.02.2023 von Ines Godazgar in Personalia, Alumni
Als promovierte Ingenieurin hat sich Dr. Nadine Pachulski nach ihrer Ausbildung an der Universität Halle bei Dow beworben. Heute, zwölf Jahre später, leitet sie dort ein global agierendes Team. Und sie setzt sich dafür ein, dass künftig mehr Frauen ihrem Beispiel folgen.
Nadine Pachulski arbeitet als Ingenieurin bei Dow in Schkopau.
Nadine Pachulski arbeitet als Ingenieurin bei Dow in Schkopau. (Foto: Dow)

Die Zulassung zum Pharmazie-Studium hatte Nadine Pachulski 1999 schon in der Tasche, als sie kurz vor dem Abitur eine Informationsveranstaltung an der Uni Halle besuchte. Eigentlich wollte sie „einfach nur mal schauen“. Doch der Besuch änderte alles. Nadine Pachulski kam dort mit einer Absolventin der Ingenieurwissenschaften ins Gespräch. „Sie eröffnete mir eine ganz neue Welt“, erinnert sich die 42-Jährige. Bis dahin habe sie nicht im Traum daran gedacht, dass ein solches Studium auch für Frauen in Frage kommen könnte. Sie gab den Platz für Pharmazie zurück und schrieb sich stattdessen für Verfahrenstechnik ein.

„Ich habe diese Anregung von außen gebraucht“, sagt Pachulski heute. Hinzu sei gekommen, dass Mathe und Physik in der Schule ihre starken Fächer waren und auch damals schon die Berufsaussichten für technische Führungskräfte ziemlich gut gewesen seien. Der neue Zukunftsplan ging auf: Nadine Pachulski ist heute selbst Führungskraft. Für das Chemieunternehmen Dow war sie drei Jahre in verantwortlicher Position im Ausland tätig, zurzeit leitet sie vom Standort Schkopau aus ein internationales Team von elf Ingenieuren auf drei Kontinenten.

Als die gebürtige Hallenserin 1999 mit dem Studium begann, war unter den 14 Erstsemestern der Fachrichtung Verfahrenstechnik außer ihr nur eine weitere Frau. Auch in verwandten Studiengängen gab es nur wenige Frauen. Die meisten von ihnen hatten aber mindestens einen Elternteil oder nahe Verwandte, die als Ingenieure arbeiteten, erinnert sie sich. „Für mich hingegen war alles Neuland.“ Bei der Verfahrenstechnik geht es um die Steuerung großer Anlagen oder Produktionsprozesse. Naturwissenschaftliche Kenntnisse sind dafür ebenso wichtig wie technisches Verständnis und ein Gefühl für dreidimensionale Abläufe. „Ich fand das alles total spannend, vor allem, weil Verfahrenstechniker empirisch arbeiten“, sagt Nadine Pachulski.

2004 beendete sie erfolgreich ihr Studium. Ihre Noten waren so gut, dass sie eine Promotion bei Prof. Dr.-Ing. Joachim Ulrich im Bereich Thermische Verfahrenstechnik anschloss, wofür sie ein Graduiertenförderstipendium des Landes Sachsen-Anhalt erhielt. Etwas Besseres, als in Ulrichs Team aufgenommen zu werden, hätte ihr nach eigenem Bekunden nicht passieren können. „Die Stimmung war super und meine Arbeitsgruppe international besetzt. Das war auch menschlich eine große Bereicherung.“ Ulrich habe alle seine Doktoranden enorm gefördert. Die Ingenieurin promovierte schließlich mit „summa cum laude“, wofür sie 2008 mit der Luther-Urkunde der MLU geehrt wurde.

Ihr Doktorvater Joachim Ulrich war es auch, der sie dazu ermunterte, sich bei Dow zu bewerben. „Sie haben doch nichts zu verlieren“, sagte er – dafür sei sie ihm bis heute dankbar. Sie schickte ihre Unterlagen an die Dow-Personalabteilung, fünf Minuten später erhielt sie von dort einen Anruf und die Einladung zum Assessment Center. Auch hier war ein größerer Anteil der Teilnehmer Männer. Ein paar junge Frauen aus Spanien, Frankreich und Großbritannien sind der Verfahrenstechnikerin wegen ihres Selbstbewusstseins in Erinnerung geblieben. „Ich bekam eine Idee davon, dass Ingenieurinnen in anderen Ländern womöglich viel selbstverständlicher sind als bei uns.“

Im Oktober 2007 fing sie als Prozessingenieurin bei Dow an. Gleich zu Beginn war sie an der Planung einer Anlage beteiligt, die später in Saudi-Arabien gebaut wurde. In den nächsten Jahren erhielt sie Schritt für Schritt mehr Verantwortung. „Anfangs hatte ich durchaus Zweifel, ob ich überhaupt eine gute Chefin sein kann“, erinnert sie sich. Geholfen haben ihr Schulungs- und Mentoring-Programme, mit denen potenzielle und neue Führungskräfte bei Dow sukzessive aufgebaut und unterstützt werden, sagt sie.

Als Nadine Pachulski 2018 das Angebot bekam, für Dow ins Ausland zu gehen, war sie bereits Mutter zweier Töchter. Mit ihrem Ehemann und den Kindern zog sie nach Wales – ein Abenteuer und ein beachtlicher Aufwand zugleich. Nadine Pachulski war in dem in der Nähe von Cardiff gelegenen Städtchen Barry dafür verantwortlich, die Zuverlässigkeit einer neu erworbenen Dow-Anlage zu verbessern. Während dieser Zeit wurde die Familie noch einmal größer: Sohn Oskar wurde 2020 in Wales geboren. Er war schließlich einer der Gründe dafür, dass die Pachulskis 2021 zurück nach Halle zogen. Die Nähe zu den Großeltern habe bei der Entscheidung eine große Rolle gespielt. Ohne Hilfe der Familie wäre ihr beruflicher Erfolg wohl nicht so ohne weiteres möglich gewesen, resümiert Nadine Pachulski. Bei Dow seien aber auch flexibles Arbeiten und Homeoffice problemlos möglich – wenn der Job es nicht erfordert, dass man vor Ort in den Anlagen ist. All das helfe enorm bei der Organisation des Familienalltags.

Die Förderung junger, gut ausgebildeter Frauen liegt Nadine Pachulski am Herzen. Zu dem internationalen Team, das sie führt, gehörten bis vor kurzem auch zwei Frauen. Dass diese beiden nun nicht mehr dabei sind, hat einen guten Grund: Sie sind aufgestiegen, eine von beiden sogar in eine Führungsposition im Ausland. „Wir halten unter anderem Vorträge in Schulen, um Mädchen zu ermuntern und ihnen zu zeigen, was für sie alles möglich ist.“ Teams, sagt die Ingenieurin, funktionieren am besten, wenn sie divers besetzt sind. Auch deshalb sei es wichtig, mehr Frauen in vermeintliche Männerdomänen wie die Ingenieurwissenschaften zu holen.

In ihrer Freizeit macht Nadine Pachulski viel Sport und lernt Portugiesisch. Sich Fremdsprachen anzueignen, falle ihr generell nicht schwer, dennoch, so gibt sie zu, haben die Lektionen auch einen beruflichen Nebeneffekt: Sie erleichtern die Kommunikation mit den Kollegen der Dow-Werke in Brasilien und Portugal.

Trotz ihrer vielen Aufgaben fühlt sich die berufstätige Mutter im Alltag selten wirklich gestresst. Es seien ausgerechnet die Kinder, die oft als Regulativ wirken, indem sie ihre Aufmerksamkeit einfordern. „Wenn ich abends oder am Wochenende einmal zu viel telefoniere oder E-Mails schreibe, dann beschwert sich mein kleiner Sohn mit den Worten: ,Mama, Handy weg!‘.“

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