Gründungsdekan mit Geduld und Überzeugungskraft: Zum Tod von Dietrich Rauschning

24.10.2023 von Prof. Dr. Hans Lilie in Personalia
Am 17. September 2023 ist Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dietrich Rauschning verstorben, der nach der friedlichen Revolution als Gründungsdekan der damaligen Juristischen Fakultät wirkte. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans Lilie hat einen Nachruf auf ihn verfasst.
Dietrich Rauschning bei der Fakultätsgründung 1993.
Dietrich Rauschning bei der Fakultätsgründung 1993. (Foto: Uni Halle)

Professor Rauschning ist im gesegneten Alter von 92 Jahren verstorben. Wie kaum ein anderer hat er sich mit allergrößtem Einsatz, Mut und viel Überzeugungskraft für die neuzugründende Fakultät eingesetzt. Schon unmittelbar nach der Wende zeichnete sich ab, dass eine Neugründung der Fakultät in Halle unabdingbar wird. Als erste Kontakte von halleschen Kollegen nach Göttingen geknüpft wurden, waren es die Professoren Rauschning, Schreiber und Costede, die sich im Namen und Auftrag der Göttinger juristischen Fakultät für die Neugründung in Halle bereit zeigten. Unendlich viele Gespräche am Lehrstuhl von Professor Schreiber bildeten die Basis für die neue Fakultät. Professor Rauschning hat sich früh insbesondere um die Interessen der Studentinnen und Studenten gekümmert und hat von allen, die vertretungsweise ab März 1991 Vorlesungen übernommen haben, verlangt, dass den Studentinnen und Studenten ein sicherer Vorlesungsplan gewährleistet werden muss, der ihnen einen erfolgreichen Abschluss ihres Studiums garantiert. Sein Spruch, den man immer noch in den Ohren hört, war: Wir müssen arbeiten wie der IC – jeden Tag, jede Stunde, immer zur gleichen Zeit. Keine Blockunterrichte, keine Verschiebungen, sondern Zuverlässigkeit bis ins kleinste Detail. Angesichts der langen Anreisen war das eine große Herausforderung für viele Dozentinnen und Dozenten.

Einen ganz besonderen Verdienst hat sich Professor Rauschning um die finanzielle Absicherung der Gründungsarbeit und die Zukunft der Fakultät erworben. In der damaligen Zeit hat der Bund ein Hochschulerneuerungsprogramm (HEP) aufgestellt, das große Summen für die neuen Bundesländer und damit für die Wissenschaftsministerien, Universitäten und Fakultäten bereitstellte. Es war Professor Rauschning, der selbst sonntags nach Magdeburg in das neugebildete Wissenschaftsministerium fuhr und dort die Referentinnen und Referenten und Abteilungsleiter davon überzeugt hat, dass die Mittel des HEP nicht durch die Universität, sondern direkt von den Fakultäten verwaltet werden sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat es eine unglaublich hohe Anzahl von Besprechungen, Sitzungen und letztlich unendlich viel Geduld und Überzeugungskraft gebraucht. Für die sichere Basis der Gründung unserer Fakultät war es ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dass sie in der Gründungsphase die Grundsumme, die zur Verfügung stand, selber verwalten konnte und damit in den Berufungsverfahren ein hervorragendes Steuerungselement in den Händen hatte. Gleichzeitig hat Professor Rauschning auch die Grundausstattung der Fakultät über diese Mittel organisiert und finanziert. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie bei einem Würzburger Antiquariat innerhalb von zwei Tagen die Summe von 250.000 DM für den ersten Grundstock der neuen Bibliothek investiert werden konnte.

Wenn heute das Juridicum der Stolz der Fakultät ist, ist das auch Professor Rauschning persönlich zu verdanken. Er hat schnell erkannt, dass die zur Verfügung stehenden Räume für eine angemessene Juristenausbildung völlig unzureichend waren. Das Thomasianum und die erste Etage im Löwengebäude waren für den Anfang eine Basis, aber boten keine Zukunft für eine leistungsstarke Bibliothek. Auch hier war es Professor Rauschning, der mit dem damaligen Kanzler Wolfgang Matschke und auch durch die engen Kontakte mit dem damaligen Justizminister Dr. Walter Remmers und seinem damaligen Staatssekretär Rainer Robra die Basis für einen modernen Neubau einer juristischen Bibliothek am Universitätsplatz geschaffen hat und dafür, dass nicht das Staatshochbauamt, sondern die Universität der Bauherr für das neue Juridicum wurde.

Die Juristische Fakultät hat den Einsatz von Dietrich Rauschning immer zu würdigen gewusst. Nicht zuletzt deshalb wurde ihm im Jahr 2003 die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät verliehen. Wir werden sein Andenken in Ehren bewahren und bei vielen Gelegenheiten immer wieder hervorheben, was wir Dietrich Rauschning zu verdanken haben.

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Der Autor Prof. Dr. Hans Lilie war ab dem Sommersemester 1991 Vertretungsprofessor in Göttingen und zugleich Lehrbeauftragter an der MLU in Halle. Hier vertrat er ab dem Wintersemester die Gründungsprofessur Strafrecht, ab April 1992 war er Gründungsprofessor. Lilie war unter anderem auch Dekan der Juristischen Fakultät (1995-1996).

 

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