Ein denkwürdiger Abschied
Es ist alles andere als eine platte Aneinanderreihung von mit „Les Adieux“ oder ähnlichen Floskeln überschriebenen Werken geworden. Auch den „Abschied“ aus Schumanns „Waldszenen“ hat man sich dankenswerterweise gespart. Trotzdem gab es da ein Bild, das irgendwie passte: Das mit „eroico“ überschriebene und beinahe grotesk anmutende Aufflackern von so etwas wie Heiterkeit im zweiten Satz von Prokofjews „Violinsonate op. 80“, die sich in wiederholten Anläufen unvermittelt aufbäumt, um nur am Ende doch wieder in die Niedergeschlagenheit eines der düstersten Werke im gesamten Œuvre des Komponisten zurückzusinken. Eine Heiterkeit, deren kurzes Durchschimmern die Härte der aufeinanderprallenden Dissonanzen nur umso härter und die gespenstische Atmosphäre der über andächtigen Klavierakkorden gedämpft hinwegsäuselnden und bei aller Eindringlichkeit doch immer irgendwie abwesenden Läufe der Violine am Ende des vierten Satzes nur umso gespenstischer wirken ließ – eben weil sie benennt, was da im Dunkel verschwindet.
Passend ist dieses Bild nicht nur, weil Aylen Pritchin (Violine) und Yury Favorin (Klavier) den Gestus dieser Unentrinnbarkeit mit ebenso außergewöhnlicher Intensität und Klarheit nachzuzeichnen vermochten wie die Ambiguität von Spielwitz und Getriebenheit im abschließenden Allegrissimo. Passend ist es auch, weil die beiden Interpreten dem Publikum mit einem der bemerkenswertesten Auftritte in der Reihe ein letztes Mal und eben deshalb umso deutlicher vor Augen führten, was die hallesche Kulturlandschaft mit dem Ende der Aula-Konzerte verlieren wird: eine Bühne für Kammermusik allerersten Ranges. Nichts anderes jedenfalls war es, was das Duo mit der meisterhaften Interpretation der an spieltechnischen Anweisungen und klanglichen Effekten geradezu überreichen Partitur von George Enescus dritter Violinsonate, dem feingliedrig ausdifferenzierten Farbenspiel eines Claude Debussy oder der ans Unmögliche grenzenden, sich in aufwendigen Doppelgriffen und künstlichen Flageoletts ergehenden Virtuosität der Violine in Ravels „Tzigane“ bot.
Beeindruckend waren diese Interpretationen vor allem deshalb, weil es Pritchin und Favorin gelang, trotz der individuellen spieltechnischen Brillanz, die diese Werke einfordern, nicht das Gefühl für ein harmonisches musikalisches Miteinander zu verlieren. Weil sie die filigran-verflochtene Struktur der immer wieder aus der schwebenden Klanglichkeit von Debussys „Sonate g-Moll für Violine und Klavier“ auftauchenden Motivzellen mit äußerster Transparenz offenlegten. Weil sie den kontrollierten Kontrollverlust im Finale von Ravels „Tzigane“ mit höchster Präzision in rauschhafter Beschleunigung kulminieren ließen – und: weil sie den „aula konzerten“ mit spielerischer Finesse und leidenschaftlichem Ausdruck einen Abschied bereiteten, der noch lange nachklingen wird.