Entlastung für Herz und Lunge: Pharmakologe für den Deutschen Zukunftspreis nominiert
Vom Bundespräsidenten jährlich ausgelobt, richtet sich der mit 250.000 Euro dotierte Preis für Technik und Innovation an Personen deren zukunftsweisenden Ideen zu anwendungsreifen Produkten geführt haben, die einen hohen Stellenwert für den Fortschritt des Landes haben. Mit Johannes-Peter Stasch sind im Team zugleich auch Dr. Reiner Frey, leitender Wissenschaftler bei Bayer, und Prof. Dr. med. Ardeschir Ghofrani, Justus-Liebig-Universität Gießen, nominiert. Alle drei Wissenschaftler haben mit ihren Forschungsarbeiten dazu beigetragen, dass ein innovatives Medikament zur Behandlung von zwei lebensbedrohlichen Formen des Lungenhochdrucks entdeckt und entwickelt werden konnte.
Bei dem Arzneistoff „Riociguat“ handelt es sich um das allererste Medikament, das für zwei Formen der Erkrankung in mehr als 50 Ländern zugelassen ist. Menschen, die an diesen Formen des Lungenhochdrucks, der sogenannten chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie oder der pulmonal arteriellen Hypertonie leiden, haben eine erheblich eingeschränkte Lebensqualität. Leistungsmangel, Atemnot und kreislaufbedingte Ohnmachtsanfälle sind nur einige Symptome. Bleiben Erkrankte unbehandelt, führt der Lungenhochdruck binnen weniger Jahre zum Tod durch Herzversagen.
„Unser Team ist hier stellvertretend für viele Kollegen nominiert“, betont Stasch. Denn das Auffinden eines so großartigen Wirkungsprinzips sei nur unter Beteiligung sehr vieler Akteure innerhalb von Bayer und außerhalb an den Universitäten möglich. „Kurz: Es geht nicht um mein Lebenswerk, sondern um die Ehrung aller, die von den Anfängen, also der Entdeckung des Prinzips, über die Entwicklung bis hin zur Vermarktung beigetragen haben, damit Menschen wieder Hoffnung haben, die unter dieser lebensbedrohlichen Erkrankung leiden“, sagt der gebürtige Hamelner, der in jahrzehntelanger Forschung auf das Wirkprinzip stieß und es als erster wissenschaftlich beschreiben konnte.
Seine mitnominierten Teamkollegen haben die Weiterentwicklung und die Zulassung durch ihre klinischen Studien konsequent vorangetrieben. Generell sei das innovative Prinzip auch zur Behandlung vieler weiterer Herz-Kreislauf-Erkrankungen geeignet. „Wir haben uns bewusst für ein Krankheitsbild entschieden, für das es bislang noch keine Therapieform gibt“, sagt Stasch, der eng mit Halle verbunden ist. Er blickt dabei auf die langjährige Kooperation mit dem Pharmakologen Prof. Dr. Henning Schröder, der bis 2007 die Abteilung für Pharmakologie und Toxikologie an der Uni Halle geleitet hat.
„Wir hatten das gleiche Forschungsgebiet. Das war auch der Grund, dass ich nach Halle kam, hier in der Pharmakologie habilitierte und mich an der universitären Lehre beteiligte.“ Und so ein bisschen war Halle dann wohl auch die Keimzelle seiner Forschungen. Bereits 2001 beschrieb das Wissenschafts-Tandem Schröder und Stasch das neuartige Prinzip im renommierten Fachmagazin „Nature“, das heute in Form einer ausgereiften Arznei zum Einsatz kommt.
Halle ist für den gebürtigen Hamelner zur zweiten Heimat geworden. Nach seiner Habilitation wurde Johannes-Peter Stasch 2010 an der Uni Halle zum Honorarprofessor für Arzneimittelforschung ernannt. 2013 erlangte er zudem eine der größten Ehren, die ein Wissenschaftler in Deutschland bekommen kann: Er wurde zum Mitglied der Leopoldina gewählt, der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Deutschland. Dort ist er einer der wenigen Wissenschaftler aus der Industrie und quasi der Brückenbauer zwischen der universitären und der industriellen Forschung.
Vieles hat sich seitdem geändert, eines nicht: Auch heute nimmt der 61-Jährige Staatsexamen und Prüfungen ab, gibt Seminare vor angehenden Apothekern, und er ist beliebt. Das weiß auch der Direktor des Instituts für Pharmazie der Uni Halle. „Neben seiner erfolgreichen Forschungstätigkeit bei Bayer investiert er trotzdem immer viel Zeit und Engagement in die Pharmakologie-Ausbildung“, betont Prof. Dr. Wolfgang Sippl. Den Preisträger beschreibt er als stets gut gelaunten Kollegen, mit dem eine Zusammenarbeit einfach und konstruktiv sei. „Selbst die Studierenden, die ihn in schwierigen Prüfungssituationen erleben, sind angetan von seinem objektiven und freundlichen Auftreten – auch, weil er immer einen kleinen Scherz auf den Lippen hat“, weiß Wolfgang Sippl zu berichten.
Und das Ganze deckt sich auch mit Staschs Absichten. „Ich lehre, weil es mir Freude macht“, sagt er kurz. „Anderseits ist es für mich auch die Möglichkeit, an der Universität angebunden zu bleiben und die tolle Atmosphäre zu genießen. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass künftig noch mehr für die Kooperation zwischen der forschenden Industrie und der Universität getan wird.“ Warum, das sei ganz einfach: Industrieunternehmen müssten wissen, wie Universitäten ticken und umgekehrt die Uni-Professoren, wie Industrieforschung laufe.
„Heute kann ich sagen: Es wäre niemals möglich gewesen, das neue Wirkprinzip ohne diese enge universitäre Anbindung und Zusammenarbeit zu erforschen und zum Erfolg zu bringen. Und ich finde es gut, wenn auch die Studierenden mehr Einblicke in diese Schiene bekommen – quasi doppelgleisig fahren. Viele der angehenden Pharmazeuten gehen später sicher in die Apotheke, aber andere eben auch in die Industrie“, sagt Johannes-Peter Stasch, der pro Semester immer ein bis zwei Studierenden anbietet, ein Fortgeschrittenen-Praktikum bei der Bayer Pharma AG zu absolvieren.
Gefragt nach einem Tipp für den wissenschaftlichen Nachwuchs, rät Stasch, „sich nicht zu dünn aufzustellen“. Mit anderen Worten: „Man sollte in der Forschung nicht so oft die Themen wechseln, sondern lieber versuchen, am Ball zu bleiben und weiter in die Tiefe gehen“, sagt der Nominierte, der dieses Anliegen auch als sein Erfolgsrezept beschreibt.
Drei Forscher-Teams sind für den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert. Die Preisverleihung wird am 2. Dezember ab 18 Uhr im Livestream übertragen und ist um 22.30 Uhr auch im ZDF zu sehen.
Update: Das Team um Prof. Dr. Johannes-Peter Stasch hat den Deutschen Zukunftspreis 2015 gewonnen. Die Auszeichnung ist mit 250.000 Euro dotiert.