„Fehltritte können wir uns nicht leisten“

14.10.2019 von Manuela Bank-Zillmann in Personalia, Wissenschaft
Tierschutz ist das Metier von Heike Weinert. Seit den 1990er Jahren ist die Biologin Tierschutzbeauftragte im Hochschulbereich, seit einem knappen Jahr macht sie diese wichtige Arbeit auch für die Medizinische Fakultät. Aus Überzeugung und mit Leidenschaft.
Heike Weinert ist Tierschutzbeauftragte der Universität.
Heike Weinert ist Tierschutzbeauftragte der Universität. (Foto: Markus Scholz)

Die Ratte ist aus Kunststoff und muss trotzdem richtig gehalten werden. „Es ist wirklich wichtig, dass man weiß, wie man ein Tier richtig anfasst“, sagt Heike Weinert. Kompromisse macht sie da keine. Um das zu lernen, übt man heute zuerst an Modellen wie dieser Ratte.

Replace, Reduce, Refine (deutsch: Vermeiden, Vermindern, Verbessern) – das 3R-Prinzip ist der Maßstab für alle tierexperimentellen Arbeiten und für Heike Weinerts Arbeit. Tierversuche? Ja. Aber nur, wenn diese unerlässlich sind. Zu rechtfertigen ist die Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken ethisch nur, wenn der zu erwartende Erkenntnisgewinn die Belastung der Tiere im Versuch rechtfertigt. Und tatsächlich: „Wir verwenden heute weniger Tiere an der Universität.“

Das ist auch der Arbeit von Heike Weinert zu verdanken, die 1986 nach einem fünfjährigen Biologie-Studium im damals sowjetischen Kischinjow (heute Chişinău / Republik Moldau) an der Universität Halle ankommt. Die gebürtige Weißenfelserin arbeitet in der Zoologie mit Kleinnagern und Insekten und kennt sich mit den Tieren sehr gut aus. Einen geregelten Tierschutz gibt es in der DDR allerdings nicht. Anfang der 1990er Jahre ändern sich jedoch die Anforderungen. 1992 wird Heike Weinert die Tierschutzbeauftragte der Universität und sie ist es bis heute. Sie berät, bildet fort, prüft Anträge – und ist die Schnittstelle zum Veterinäramt (der Aufsichtsbehörde) und dem Landesverwaltungsamt (der Genehmigungsbehörde).

Bis zum November 2018 bleibt sie dennoch aus Leidenschaft mit einer halben Stelle auch Mitarbeiterin in der Tierphysiologie des Instituts für Biologie. Als die entsprechende Stelle der Tierschutzbeauftragten in der Medizinischen Fakultät neu besetzt werden muss, zögert sie nicht lange und übernimmt den Part.

„Aber wenn ich nur am Schreibtisch sitzen müsste, würde ich das nicht machen“, sagt die 56-Jährige, die lange in der Ausbildung von Studierenden gearbeitet hat. Als Tierschutzbeauftragte ist sie viel unterwegs und schaut sich immer wieder vor Ort an, wie die Versuchstiere gehalten werden und ob das korrekt geschieht. Dabei geht es nicht allein um die Mäuse und Ratten im Labor, die die meisten Menschen beim Wort Tierversuch im Kopf haben und mit denen an der Universität insgesamt am häufigsten gearbeitet wird. Hunde, Katzen und Primaten gibt es als Versuchstiere hingegen nicht. Dafür aber landwirtschaftliche Nutztiere, die die Universität in Merbitz (Saalekreis) hält. Die Pferde, Schweine, Schafe und das Geflügel sind unerlässlich für die Lehre und auch die Forschung in den Agrar- und Ernährungswissenschaften. Hier geht es vor allem um Fütterungsversuche.

Tierschutz und Forschung

Das Tierschutzgesetz ist in Deutschland rechtliche Grundlage für die Arbeit der Tierschutzbeauftragten. Tierversuche bei Wirbeltieren sind generell genehmigungspflichtig. Wichtigste Prämisse ist es, Schmerzen, Leiden oder Schäden an Tieren möglichst gering zu halten. In der tierexperimentellen Forschung ist das 3R-Prinzip – Replace, Reduce, Refine – oberstes Gebot. Welche Tierversuchsvorhaben die Landesbehörden genehmigt haben, kann von jedermann in der Datenbank www.animaltestinfo.de recherchiert werden. Sie ist beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) angesiedelt. Weitere Informationen zum Thema finden sich auf dem Portal www.tierversuche-verstehen.de, das Deutschlands große Wissenschaftsorganisationen gemeinsam betreiben.

Neben den Vor-Ort-Besuchen und den Beratungsangeboten schult Heike Weinert gemeinsam mit Tierärzten und Wissenschaftlern alle, die tierexperimentell arbeiten wollen: „Jeder, der am Tier arbeiten will, braucht einen Sachkundeschein. Es darf niemand etwas am Tier machen, ohne vorher entsprechende Kurse belegt zu haben“, sagt sie. Das sind Studierende, Promovierende und letztlich jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler, die Versuche mit Tieren machen. Auch sie selbst bildet sich regelmäßig weiter. „Anders“, sagt sie, „geht das nicht“. Die Sachkunde derjenigen, die Tierexperimente durchführen, überprüft sie auch. Der Schein, einmal ausgestellt, ist kein Freibrief. Und so kommt die Kunststoffratte immer wieder zum Einsatz.

„Fehltritte können wir uns als wissenschaftliche Einrichtung nicht leisten“, sagt Heike Weinert. Und sie kommen auch nicht vor. „Das öffentliche Interesse am Tierschutz ist insgesamt sehr hoch“, sagt sie. Zu Recht. Dass man in Zukunft komplett auf Tierversuche verzichten kann, daran glaubt sie – trotz vieler Entwicklungen, die Tierversuche teilweise ersetzen – nicht: „Insbesondere in der medizinischen Forschung, in der Krebsforschung zum Beispiel, muss man die Wirkungen für den gesamten Organismus in den Blick nehmen.“ Versuche auf einzelne Organe zu begrenzen funktioniere nicht. „Aber man kann die Versuche reduzieren. Heute werden viele in-vitro-Versuchsreihen vorgeschaltet, bevor überhaupt in vivo gearbeitet wird.“ Heißt: Man arbeitet erstmal möglichst viel im Reagenzglas, bevor Tiere ins Spiel kommen.

Allein arbeitet Heike Weinert in Halle nicht an diesem Thema, die Universität kooperiert unter anderem mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI, organisiert Weiterbildungen mit Tierärzten. Heike Weinert ist Mitglied im Tierschutzbeirat des Landes Sachsen-Anhalt und war zehn Jahre lang zudem Vorsitzende des Ausschusses der Tierschutzbeauftragten in der Gesellschaft für Versuchstierkunde. In dieser Zeit hat sie auch daran gearbeitet, eine bundesweite Weiterbildung für Tierschutzbeauftragte zu etablieren. „Sie wird in diesem Jahr zum 12. Mal angeboten und wird sehr gut angenommen“, sagt Weinert, die für die MLU schon wieder Neues im Blick hat. „Wir bieten für alle, die tierexperimentell arbeiten, eine Fortbildungsreihe an und wollen jetzt Gastwissenschaftler einladen, um Themen wie Ersatz- und Ergänzungsversuche ganz speziell zu betrachten, um Möglichkeiten, die es außerhalb des Tierversuchs gibt, auch weiter zu vermitteln.“

Heike Weinert
Tierschutzbeauftragte
Tel. +49 345 55-71466
Mail: tierschutz@verwaltung.uni-halle.de

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