Forschung oder Familie? „Ich möchte beides haben“
Im Familienraum des Instituts für Mikrobiologie liegen bunte Bausteine auf dem Boden. Am Schreibtisch sitzt Dr. Constanze Pinske, auf ihrem Schoß ihre einjährige Tochter Tilda. Sie darf heute nicht in den Kindergarten, weil sie nach einer Impfung ein wenig fiebrig ist. „Heute muss ich vor allem lesen und Texte korrigieren“, sagt Pinske. Von daher sei das kein Problem. Im Gegenteil: „Die Kollegen freuen sich, wenn ein Kind mit auf Arbeit kommt“, verrät die Forscherin. So kann es zum Beispiel passieren, dass ein Doktorand im Familienzimmer sitzt und auf eines ihrer Kinder aufpasst, wenn sie im Labor arbeiten muss. „Ohne die Unterstützung meiner Kollegen wäre das alles nicht möglich“, ist Pinske überzeugt.
Constanze Pinske habilitiert sich in der Arbeitsgruppe des Mikrobiologen Prof. Dr. Gary Sawers. Sie erforscht die Wasserstoffproduktion aus Bakterien und Enzymen: „Ich will verstehen, wie die Enzyme aufgebaut sind und wie sie sich optimieren lassen.“ Das könnte später einmal helfen, Strom aus erneuerbaren Energien zwischenzuspeichern, erklärt sie. Währenddessen stapft Tilda lachend durch den Raum, kramt Plastikbausteine aus einem Beutel und verteilt sie an die Anwesenden. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, der an der Uni Halle an seiner Promotion arbeitet, hat Pinske noch einen Sohn; Nils, der vier Jahre alt ist.
Streng getakteter Alltag
Damit die Wissenschaftlerin mehr Zeit für Arbeit und Familie hat, erhält sie seit Februar ein Stipendium der Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung. Die Nobelpreisträgerin Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard gründete die Stiftung 2004, um exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Kind zu fördern. Monatlich stehen der halleschen Forscherin für ein Jahr 400 Euro für eine Haushaltshilfe oder eine zusätzliche Kinderbetreuung in den Randzeiten zur Verfügung. Außerdem hat sie den „women in science“-Preis erhalten, den die UNESCO gemeinsam mit dem Kosmetikkonzern L’Oréal vergibt. Damit verbunden ist ein Preisgeld von 10.000 Euro für Pinske und zusätzlich 10.000 Euro für die Uni Halle für Familienfördermaßnahmen.
Viel Planungsaufwand ist nötig, um Forschungsalltag und Familienleben in Einklang zu bringen: „Mein Partner steht am Morgen um fünf Uhr auf und geht ins Labor“, sagt Pinske. Sie bringt die Kinder in den Kindergarten und geht danach zur Arbeit. Am Nachmittag werden die beiden von ihrem Vater abgeholt, während Constanze Pinske noch im Labor ist. Am Abend hat die junge Familie ein paar Stunden für sich Zeit, bis die Kinder ins Bett gehen. „Es lässt sich alles organisieren“, so Pinske. „Wichtig ist, dass man viel miteinander spricht“, sagt sie und zeigt auf ihr Telefon in der Hosentasche.
Zugute kommt den beiden Eltern auch, dass sie als Forscher ihre Arbeitszeit relativ frei einteilen und im Notfall zuhause arbeiten können. Problematisch wird es dagegen bei Tagungen und Konferenzen, die zum Forscheralltag gehören: „Entweder bleibt dann einer von uns zu Hause, oder die ganze Familie reist mit.“
„Es gibt keinen optimalen Zeitpunkt“
Pinske hat in Halle Biochemie studiert und wurde in der Arbeitsgruppe von Gary Sawers promoviert – damals entschied sie sich bewusst gegen eine Schwangerschaft. Danach wechselte sie an die Universität in Dundee, Schottland. Hier kam ihr Sohn Nils zur Welt. „In Großbritannien wird es viel stärker gefördert, dass Frauen nach der Entbindung relativ schnell in den Beruf zurück kommen“, berichtet sie. Dort hatte sie eine Tagesmutter, die sich um ihren Sohn kümmerte, bevor er in den Kindergarten kam. Deshalb konnte sie nach neun Monaten wieder in ihren Job einsteigen. In Deutschland sei das relativ früh, so Pinske, in Großbritannien recht spät: „Dort war es typisch, dass Frauen bereits nach drei bis sechs Monaten wieder arbeiten.“
Während ihrer Schwangerschaften hätte Pinske gerne länger im Labor gearbeitet – Vorschriften zum Arbeitsschutz erschwerten ihr das aber. Hinzu kommt, dass der Mutterschutz in Deutschland sechs Wochen vor dem geplanten Geburtstermin beginnt. In Großbritannien gibt es diese generelle Regelung nicht. Diese Regulierungen seien zwar richtig, so Pinske, würden die Arbeit im Labor aber auch behindern oder verlangsamen. „In der Forschung gibt es aber ohnehin keinen optimalen Zeitpunkt zum Kinderkriegen. Man muss es einfach machen“, ist sie sicher.
Auch ihre Tochter Tilda, die in Halle nach Pinskes Rückkehr zur Welt gekommen ist, kam mit neun Monaten in die Kita. „Die Kinder wollen tagsüber beschäftigt werden und vor allem auch andere Kinder sehen. Meine beiden Kinder kommen sehr gut damit zurecht, so früh in den Kindergarten gekommen zu sein.“
Als Post-Doc ist Pinske nicht nur selbst in der Forschung tätig, sie betreut auch Doktoranden und Studenten. Diese müssen regelmäßig angeleitet werden. Außerdem nimmt die Forscherin am Mentoring-Programm für Nachwuchswissenschaftlerinnen der Uni Halle teil. Manchmal komme es ihr deshalb so vor, dass sie zwischen den Stühlen sitzt: „Vieles geht auf Arbeit langsamer voran. Gleichzeitig habe ich nicht immer so viel Zeit für meine Kinder, wie ich gern möchte“, sagt sie. Inzwischen sitzt Tilda wieder bei ihrer Mutter auf dem Schoß und schaut etwas müde drein. „Aber ich möchte mich nicht dazwischen entscheiden, ich möchte beides haben.“
Kontakt: Dr. Constanze Pinske
Mikrobiologie
Tel.: +49 345 55-26353
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