Gemeinsame Geschichte: Ein Altertumsverein und die Uni
Kaum noch im Bewusstsein unserer Universität ist ein Ereignis, das von großer Bedeutung für die Entwicklung der Universität sowie wichtiger Kulturinstitutionen der Stadt Halle und des weiteren Umlands war. Es handelt sich um die vor 200 Jahren erfolgte Gründung des „Thüringisch-Sächsische[n] Verein[s] für Erforschung des vaterländischen Alterthums und Erhaltung seiner Denkmale“. Diesem Ereignis und seinen Folgen ist eine Tagung gewidmet, die Mitte November 2019 in Schulpforte stattfinden wird.
Der meist als „Thüringisch-Sächsischer Altertumsverein“ (ThSAV) bezeichneten gelehrten Geschichts- und Archäologievereinigung war schon eine frühere, im Dezember 2018 bei der Stiftung Schulpforta und dem Landesheimatbund Sachsen-Anhalt ausgerichtete Tagung gewidmet. Unter dem Titel „Grabhügel, Burgen und Kirchen: 200 Jahre Thüringisch-Sächsischer Altertumsverein“ befasste sie sich mit dem weit verstreuten Quellenbestand zur Geschichte des Vereins und vor allem dessen Sammlungen an „Altertümern“.
Die Gründungsgeschichte des Vereins ist verwickelt, wobei aber feststeht, dass im Herbst 1819 in Schulpforte die erste Hauptversammlung stattfand und dass das Vereinsstatut im Frühjahr 1820 in Naumburg verabschiedet wurde. Die Ziele der Gründungsmitglieder waren ambitioniert. Wie im Statut zu lesen steht, wollte der Verein sowohl die Überreste aus heidnischer Vorzeit als auch Denkmale alter Kunst und Architektur erforschen. Ein weiterer Punkt war das Sammeln und die Bewahrung von Inschriften, Urkunden, Handschriften, Chroniken. Und schließlich sollten auch Lieder und Sagen sowie die Sitten und Gebräuche der Bevölkerung der Gegend dokumentiert werden. Die publizierten Jahres-Berichte geben einen Einblick in die vielfältigen Arbeiten vor allem zur Denkmalpflege und zu den Ausgrabungstätigkeiten in der preußischen Provinz Sachsen.
Aber der Verein half auch bei der Inventarisierung von Bau- und Kunstdenkmalen, lange bevor eine staatliche Denkmalpflege wirkungsvoll gegen die Zerstörung arbeiten konnte, beziehungsweise dokumentierte die untergegangenen Bauten und Ruinen. Die prägenden Persönlichkeiten der Vereinsgeschichte verdienen eine biographische Würdigung, hier seien nur der Naumburger Landrat Carl Peter Lepsius, die Rektoren von Schulpforta Karl David Ilgen und Adolf Gottlob Lange oder Gustav Hertzberg, Professor und Althistoriker an der Universität in Halle, genannt.
Der ThSAV gehört zu den frühen und wirkungsmächtigen deutschen Geschichtsvereinen und trug in bahnbrechender Weise zur Erforschung der "provinzialsächsischen" Geschichte und Altertümer bei. Diese Erfolgsgeschichte ist zweifellos durch den Umstand befördert worden, dass der Verein bereits wenige Jahre nach seiner Gründung, nämlich 1823, nach Halle umzog und sich dort unter das schützende Dach der Universität begab. Bei dieser engen Verbindung zwischen Universität und Verein ist es bis zu dessen Auflösung im Jahr 1945 geblieben, womit die Geschichte des Vereins für 122 Jahre direkt mit der Geschichte unserer Universität verbunden ist. Damit leistet die wissenschaftlich-historische Aufarbeitung der Vereinsgeschichte auch einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der MLU im 19. und 20 Jahrhundert.
Neben der Erforschung materieller Hinterlassenschaften und der Denkmalpflege gehörte von Beginn an auch das Ausgraben und Sammeln von Artefakten mit dem Ziel der Einrichtung eines „vaterländischen Museums“ zu den Vereinszielen. Bereits kurz nach dem Umzug an die Universität in Halle wurde die Sammlung des Vereins in der „Neuen Residenz“ gezeigt. Die Bestände des Vereins bildeten dann in den 1880er Jahren den Grundstock der Sammlungen des Provinzialmuseums und somit auch des heutigen Landesmuseums für Vorgeschichte. Andere Sammlungsteile, wie mittelalterlicher Gefäßkeramik, Münzen, Wappen, Siegel und Schmuck, wurden verkauft und gehören heute zur Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg. 1892 überließ der Verein dann seine Bibliothek sowie die Sammlungen an Handschriften und Urkunden der Universitätsbibliothek. Der gesamte Aktenbestand des Vereins befindet sich heute im Archiv der Martin-Luther-Universität und bildet somit die Grundlage für künftige Untersuchungen, denn – wie gesagt - es gibt noch viele Desiderate.
Die 200. Wiederkehr der Gründung des Vereins bietet einen guten Grund für eine eingehende Beschäftigung mit den Biographien und Leistungen seiner Mitglieder. Folgerichtig lautet der Titel der diesjährigen Tagung in Schulpforta „Graben, Sammeln, Publizieren: 200 Jahre Gründung des Thüringisch-Sächsischen Altertumsvereins (ThSAV)“. Die Tagung gibt auch Anlass zu einem Ausblick auf das Jahr 2023 mit der 200. Wiederkehr der Verlegung des „Thüringisch-Sächsischen Altertumsverein“ an die Universität Halle. Bei diesem Jubiläum wird der inhaltliche Schwerpunkt naturgemäß auf den reichen, von dem Verein gesammelten Beständen liegen, die sich heute in der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, aber auch im Landesmuseum für Vorgeschichte sowie im Kunstmuseum Moritzburg befinden. Die Vorbereitung dieses Jubiläums erfordert damit deren umfangreiche Kooperation bei der wissenschaftlichen Erforschung der Geschichte des ThSAV sowie bei der Präsentation der reichen Schätze.
Programm und Anmeldung
Die Tagung „Graben, Sammeln, Publizieren: 200 Jahre Gründung des Thüringisch-Sächsischen Altertumsvereins (ThSAV)“ findet am 14. und 15. November in Schulpforte statt, am 16. November schließt sich eine Exkursion zu wichtigen Stätten der Vereinsgeschichte an. Organisiert wird die Tagung vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt und der Stiftung Schulpforta, der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff wird ein Grußwort sprechen.
Anmeldungen zu der Tagung sind bis zum 12. November per E-Mail an info@lhbsa.de möglich.
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos, für die Exkursion werden Gebühren erhoben. Ausführliche Informationen zu Programm und Kosten gibt es bei der Stiftung Schulpforta.