„Sie trifft die Zeit“: Ringvorlesung mit Vortrag von Joachim Gauck gestartet

10.04.2024 von Katrin Löwe in Wissenschaft, Campus
Sie ist ein Beitrag der MLU zum Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation: Mit einem Vortrag von Bundespräsident a.D. Joachim Gauck ist am Dienstag die Ringvorlesung „Geschichtszeichen der Freiheit“ eröffnet worden. 35 Jahre nach dem Mauerfall fragt sie, wie wir uns heute an die Friedliche Revolution erinnern und welche Bedeutung wir ihr beimessen. Zum Auftakt sprachen auch Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider.
Joachim Gauck eröffnete mit seinem Vortrag die Ringvorlesung.
Joachim Gauck eröffnete mit seinem Vortrag die Ringvorlesung. (Foto: Markus Scholz)

Das Thema Freiheit steht nicht nur im Titel der Ringvorlesung, sondern stand auch im Zentrum dieses Auftaktabends – mit dem Vortrag von Joachim Gauck, aber auch schon in den Grußworten zuvor. Die Ostdeutschen, betonte etwa Carsten Schneider, seien 1989 in ihrem Freiheitskampf nicht allein gewesen. Er erinnerte an die ersten, teilweise freien Wahlen in Polen im Juni, an friedliche Proteste in Prag und Bratislava, abgebauten Stacheldraht an den Grenzen Ungarns. „An das Verbindende dieser Geschehnisse erinnern wir uns heute viel zu selten.“ Das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation wolle die Geschichte von 1989 und deren Folgen nun europäisch erzählen. Die Ringvorlesung sei ein Beitrag der Martin-Luther-Universität und „ein schönes Beispiel dafür, wie die Stadtgesellschaft das Zukunftszentrum annimmt und mitgestaltet, schon bevor der Grundstein gelegt ist.“

Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte zuvor unter anderem auf das Zukunftszentrum in Halle verwiesen. Und: Es gebe noch viel zu tun, um gerade junge Menschen, wie sie auch zur Eröffnung der Ringvorlesung gekommen waren, mit Informationen zu versorgen. Haseloff sprach davon, die Freude am wiedervereinigten Deutschland und Europa nicht zu verlieren. Und von Wertschätzung für eine friedliche Revolution, einem Wunder, das heute in Frage gestellt werde. Deshalb sei die Ringvorlesung so wichtig. „Sie trifft die Zeit“, sagte auch Schneider. Den universitären Blick brachte Rektorin Claudia Becker ein. Die MLU befasse sich mit dem Umbruch, um den es in der Ringvorlesung gehe, auch unter den Aspekten von Transformation, Nachhaltigkeit sowie Wissenskulturen und Bildung, sagte sie. Aspekte, die das wissenschaftliche Profil der Universität prägen.

„Ja, da bin ich nun, der Liebhaber der Freiheit“, sagte Joachim Gauck schließlich eingangs seines knapp einstündigen Vortrags unter dem Titel „1989/90: Freiheit erringen, Freiheit gestalten“. In dem mit rund 300 Besuchern gut gefüllten Freylinghausensaal der Franckeschen Stiftungen sprach er über die Zeit vor der friedlichen Revolution, in der Menschen gelernt hätten, dass Unterwerfung das Fortkommen sichert, über die Macht der Ängste, aber auch den Mut 1989. Und über Freudentränen am 18. März 1990, als er im Alter von 50 Jahren zum ersten Mal frei wählen konnte.

Gauck sprach vom Leben in Freiheit, das zur Gestaltungsaufgabe wurde. Von der Umgestaltung einer Diktatur in eine Demokratie, aber auch von neuen Ängsten, Ernüchterungen, einer beginnenden inneren Spaltung der Gesellschaft. Er sprach dennoch weiter von einem Raum ungeheurer Möglichkeiten. In diesem übersehe er nicht Mängel und Fehler von Regierenden, „aber anders als in Zeiten der Diktatur lebe ich in einem lernfähigen System“, so der Altbundespräsident. Sein Vortrag endete mit einem flammenden Plädoyer: „Wir vertrauen darauf, dass wir wieder können werden, was wir einst konnten: Deutsche können Freiheit! Was wir noch besser lernen können ist: Deutsche können Freiheit auch verteidigen. Und Sie und ich – wir werden dabei sein.“

Die Ringvorlesung

Organisiert und konzipiert wird die Ringvorlesung von PD Dr. Constantin Plaul, Theologische Fakultät der MLU, und Dr. Karl Tetzlaff, Geschäftsführer der Stiftung Leucorea in Wittenberg. Sie findet im Sommersemester 2024 wöchentlich statt. Fortgesetzt wird sie am kommenden Dienstag mit der Kant-Expertin Prof. Dr. Birgit Recki (Universität Hamburg). Alle weiteren Termin sind hier im Veranstaltungskalender zu finden.

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