Große Namen: Friedrich Schleiermacher

04.10.2018 von Ines Godazgar in Varia, Große Namen
Seine Zeit in Halle war relativ kurz. Trotzdem hat Friedrich Schleiermacher, dessen Geburtstag sich im November zum 250. Mal jährt, hier zwei intensive Lebensphasen verbracht - als Student, später als Professor für Theologie. An ihn erinnert heute nicht nur eine Straße im Paulusviertel. Auch eine Weihnachtsgeschichte floss dem Gelehrten hier aus der Feder. Und schließlich bietet seine Person bis heute nicht nur, aber auch in Halle die Grundlage wissenschaftlicher Arbeiten.
Im halleschen Paulusviertel ist eine Straße nach dem Theologen benannt.
Im halleschen Paulusviertel ist eine Straße nach dem Theologen benannt. (Foto: Maike Glöckner)

Die Kulisse ist so reizvoll wie die um sie herum beschriebene Zeit: Eine Großfamilie verbringt den Heiligen Abend gemeinsam mit Freunden in einem gemütlichen Heim. Es wird viel geredet und die eintretende Entspannung bringt auch die Muse für tiefergreifende Gespräche mit sich. So ist es zu lesen in der Geschichte „Die Weihnachtsfeier“ von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, die kurz vor diesem heiligen Fest des Jahres 1805 entstand.

Darin legt der Autor gleichsam seine romantische Auffassung von Religion dar. Oft haben sich Theologen später mit dieser Schrift befasst und sie ge-deutet. Was dabei meist übersehen wurde: Sie spielt in Halle, genauer im lauschigen Giebichenstein, damals noch ein Dörfchen vor den Toren der eigentlichen Stadt. Im Haus der Familie des Komponisten Johann Friedrich Reichardt, bei dem Schleiermacher häufiger Gast war.

Überhaupt traf Schleiermacher, der Gelehrte mit den fein geschnittenen Gesichtszügen, in Halle auf ein enormes gesellschaftliches Leben. Große Denker, Dichter und Musiker der Romantik gingen nicht nur bei Reichardt ein und aus. Auch in Schleiermachers Wohnhaus in der Nähe des Marktes fanden regelmäßig erbauliche Gesellschaften statt. Er war 1804 in das Gebäude in der Großen Märkerstraße 21 eingezogen, das heute zu den ältesten Häusern der Saalestadt zählt. Dort veranstaltete Schleiermacher wöchentliche Treffen mit Studenten, in denen er diskutierte und vorlas.

Sowohl die preußische Staatsregierung als auch die hallesche Universität schienen sich seiner Prominenz zu jeder Zeit bewusst gewesen zu sein. Umso deutlicher wird das nach einem Blick in die Berufungsakten, die im Universitätsarchiv lagern. Darin lässt sich gut nachvollziehen, dass man den Theologen unbedingt in Halle haben wollte. „Ein guter Kanzelredner“, sei dieser. Man empfehle ihn „wegen gründlicher Gelehrsamkeit und bisherigem Fleiß“, so ist es in einem amtlichen Schreiben der preußischen Staatsregierung in Potsdam zu lesen. Und kein geringerer als König Friedrich Wilhelm III. veranlasste seinen Ruf.

Deutlich wird das Bemühen um Schleiermacher aber auch, weil man ihm mehr Geld bot, als es zu jener Zeit üblich war. 800 Taler, zusätzlich zu 200 bereits bewilligten Talern, sowie weitere 410 Taler aus einer offenbar vakanten Professur für Kirchengeschichte sollte der Umworbene erhalten. (Zum Vergleich: Auch wenn die Besoldung differierte, so lag sie im Schnitt für einen Professor bei rund 400 bis 700 Talern pro Jahr.) Darüber hinaus sagte man Schleiermacher zu, dass er für dieses Salär nicht einmal - wie sonst offenbar üblich - die Schüler des Gymnasiums unterrichten musste, jedoch wohl den dort lehrenden Theologen kostenlose Vorlesungen erteilen sollte.

Friedrich Schleiermacher
Friedrich Schleiermacher (Foto: Universitätsarchiv)

Ursprünglich stammte Schleiermacher aus Breslau, wo er am 21. November 1768 in eine evangelisch-reformierte Familie hineingeboren wurde. Seine Eltern schickten ihn zur Erziehung in die Herrnhuter Brüdergemeinde nach Niesky und Barby. Im Anschluss studierte er vier Semester Theologie in Halle. Ein Grund für den Wechsel an die Saale mag wohl auch der Umstand gewesen sein, dass sein Onkel, Samuel Stubenrauch, hier Rektor des reformierten Gymnasiums und Universitätsprofessor war. Von Schleiermachers Ankunft zeugt bis heute sein handschriftlicher Eintrag in das Matrikelbuch der Universität. Mit laufender Nummer 172 schrieb er sich am 19. April 1787 dort ein.

Sein kirchliches Examen absolvierte er hingegen in Berlin. In der Folgezeit war er unter anderem als Hauslehrer bei einer Grafenfamilie tätig. 1796 nahm er eine Stelle als Prediger in der Berliner Charité an. In jener Zeit schrieb er auch sein erstes wichtiges Werk: „Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern“, so der vielsagende Titel. Außerdem setzte er sich für die Union von Lutheranern und Reformierten ein. Zusätzlich zu seiner theologischen Tätigkeit übersetzte er die Werke Platos.

1804 kam Schleiermacher erneut nach Halle. Diesmal zunächst als außerordentlicher Professor und Universitätsprediger. Sein Aufenthalt fiel aufgrund der politischen Verhältnisse auch diesmal vergleichsweise kurz aus. Am 17. Oktober 1806 marschierten Napoleons Truppen in der Saalestadt ein, was wenige Tage später auch zur Schließung der Universität führte. Schleiermacher selbst erlebte den Einmarsch und auch die Beschlagnahme von Hausrat durch das französische Militär, das auch in sein Wohnhaus eindrang.

Nicht zuletzt seine finanziellen Nöte führten zum Wechsel nach Berlin, wo Schleiermacher an der bevorstehenden Gründung der Berliner Universität mitwirken wollte. Zuvor wurde er jedoch im Herbst 1807 in Halle noch nachträglich zum Doktor der Theologie promoviert. Seine Berliner Schaffensphase war freilich wesentlich länger. Fast drei Jahrzehnte wirkte er dort ebenfalls überaus segensreich, bis er am 12. Februar 1834 starb.

Seine Bedeutung für die Universität Halle bleibt indes unumstritten. So fand hier erst 2017 ein internationaler Schleiermacher-Kongress mit 50 Fachvorträgen statt. Im Zentrum der hiesigen Schleiermacherforschung steht der Lehrstuhl des Theologen Prof. Jörg Dierken. Er gilt als ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet und ist außerdem Vorsitzender der internationalen Schleiermacher-Gesellschaft sowie der Schleiermacherschen Stiftung. Letztere hat sich die Erforschung des philosophischen und theologischen Lebenswerks Schleiermachers zum Ziel gesetzt. Auf ihrer Homepage wirbt sie übrigens mit einem Zitat aus dem Mund des großen Gelehrten, das für dieses Ziel nicht passender sein könnte: „Wer sich zu einem bestimmten Wesen bilden will, dem muss der Sinn geöffnet sein für Alles, was er nicht ist.“

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Theologie

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