Große Resonanz in Izmir: Türkisch-Deutsches Symposium zum Medizinrecht
Dass Ende September an zwei Tagen über 260 Interessierte kamen, was für derartige Veranstaltungen überaus ungewöhnlich ist, kommt nicht von ungefähr. Denn in der Türkei ist gerade ein neues Recht zum Sachverständigen im Prozess in Kraft getreten. Entsprechend war auch der Direktor der zuständigen Abteilung im Justizministerium Ankara ein besonders gefragter Gesprächs- und Diskussionspartner. Aber es wurde nicht nur über die Umsetzungsprobleme eines neuen Gesetzes und einer neuen Rechtsverordnung diskutiert. Auch ganz grundsätzlich stellte sich die Frage, welche Rolle dem Sachverständigen denn im Strafprozess überhaupt zukommt. Aus Halle konnte hier die Zivilprozessualistin Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich für die deutsche Seite die Probleme benennen. Sie plädierte für eine stärkere, interdisziplinäre Zusammenarbeit des Sachverständigen mit dem Gericht. Wo die Probleme liegen, berichtete aus eigener Anschauung der Rechtsmediziner Prof. Dr. Rüdiger Lessig aus der Medizinischen Fakultät der Universität Halle.
Insgesamt wurde derjenige, der nach Izmir in dem Glauben gekommen war, er wisse so ungefähr schon, was der Sachverständige im Prozess bedeute, eines Besseren belehrt. Es wurde deutlich, dass den Sachverständigen eine durchaus zentrale Rolle zukommt, sowohl im Zivilprozess, aber insbesondere im Arzthaftungsprozess und in großen Strafverfahren, wo es um die psychiatrische Begutachtung geht. Er kann das A und O im Prozess sein. Umso relevanter sind dann Fragen, wer etwa auf die Liste der Sachverständigen in der Türkei kommt. Wie kann Vetternwirtschaft bei der Stellung eines Sachverständigen ausgeschlossen werden? Ein zentrales Problem ist auch die hinreichende Qualität des Sachverständigen, die in der Türkei durch Fortbildung erreicht werden soll. Letztlich brauchen wir Sachverständige, zu denen alle Prozessparteien, insbesondere die Verteidigung, Vertrauen haben. Hierzu ist es zum Beispiel auch notwendig, den Verteidiger früher in die Bestellung des Sachverständigen einzubeziehen. Derzeit legt häufig die Staatsanwaltschaft durch die frühe Bestellung des Sachverständigen im Ermittlungsverfahren diesen für den gesamten Prozess fest.
Im rechtsvergleichenden wie auch interkulturellen Diskurs zwischen den türkischen und deutschen Teilnehmern konnten einige Fragen eine Antwort näher gebracht werden, ergaben sich neue Ideen und zeigte sich aber auch, dass der Sachverständige im Prozess ein noch nicht wirklich entdecktes Forschungsfeld darstellt.
Organisiert wurde die Tagung von Prof. Dr. Henning Rosenau gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. h.c. Hakan Hakeri von der Medeniyet Universität in Istanbul. Eingeladen hatte die Rechtsanwaltskammer Izmir. In den türkischen Medien fand die Veranstaltung große Aufmerksamkeit. In mehreren Zeitungen wurde darüber berichtet, unter anderem in der nationalweit verbreiteten Milliyet.