„Ich versuche, meine Umwelt zu verstehen“

16.08.2017 von Friederike Stecklum in Personalia
Mehrfach hat die Universität Halle seine herausragende Forschung ausgezeichnet: Dr. Hajk-Georg Drost erhielt den SKWP-Forschungspreis der Universität Halle vor vier Jahren für seine Bachelorarbeit und im Juni 2017 für seine Dissertation. In seiner Bachelorarbeit war er an einem Forschungsprojekt beteiligt, das den Grundstein für eine „Nature“-Titelstory legte. Inzwischen arbeitet Hajk-Georg Drost als Postdoc an der Universität Cambridge.
Hajk-Georg Drost bei der Verleihung des SKWP-Forschungspreises der Uni Halle im Juni 2017
Hajk-Georg Drost bei der Verleihung des SKWP-Forschungspreises der Uni Halle im Juni 2017 (Foto: Maike Glöckner)

Gene, die sich ähnlich wie Parasiten verhalten und ihren Platz im Erbgut verändern können: Diesen springenden Genen, sogenannten transposablen Elementen, ist Hajk-Georg Drost auf der Spur. „Wir untersuchen die molekularen Mechanismen dahinter und versuchen herauszufinden, wie die springenden Gene entdeckt und ihre Wirkung verhindert werden kann. Denn durch das Springen können Mutationen entstehen, die zum Beispiel zu Krankheiten führen“, sagt der 30-Jährige. Am Sainsbury Institut an der Universität Cambridge entwickelt der Bioinformatiker Computerprogramme, die bei komplexen Erbgut-Untersuchungen benötigt werden.

Zu seinem täglichen Handwerk gehört eine Menge Geduld. „Nicht immer will die Natur ihre Geheimnisse preisgeben und dann darf man nicht sofort verzweifeln.“ Vielmehr sieht Drost die Herausforderungen als Motivation, dran zu bleiben und weiterzuforschen. Dieser Wissensdurst begleitet ihn seit seiner Kindheit. „Ich versuche zu verstehen, wie meine Umwelt funktioniert und das aus möglichst verschiedenen Blickwinkeln.“ Bereits mit zehn Jahren interessierte er sich für neurowissenschaftliche Themen und las Fachbücher- und Zeitungen.

„Ich konnte Zuhause auf einen großen Wissensschatz zurückgreifen, denn meine Mutter Armenuhi Drost ist Professorin am Orientalischen Institut der Uni Halle und mein Vater Wolf-Gernot Drost Physiker.“ Dank seiner Mutter entwickelte er früh eine enge Verbindung zur Hochschule und war in der Abiturphase regelmäßig Gast in der Universitätsbibliothek. 2008 begann er sein Bioinformatikstudium in Halle. „Ich sehe mich als Generalist, deshalb wollte ich nicht nur Biologie studieren. Dank der Informatik kann ich auch in anderen Fachgebieten arbeiten.“

Plötzlich im Mittelpunkt

Was er damals noch nicht ahnen konnte, ist das große Echo der Fachwelt, das ihn 2013 erwarten sollte: Den Anstoß dazu gab ein Forschungsprojekt in der Arbeitsgruppe von Bioinformatiker Prof. Dr. Ivo Große und Pflanzenforscher Prof. Dr. Marcel Quint. In dessen Rahmen schrieb Hajk-Georg Drost zusammen mit seinem Kommilitonen Alexander Gabel seine Bachelorarbeit. Die Wissenschaftler untersuchten, ob das evolutionsbiologische Sanduhrmodell auch in der Embryonalentwicklung von Pflanzen nachweisbar ist. Es zeigte sich, dass die Genaktivität bei der Embryogenese von Pflanzen der von Tieren ähnelt. Die Ergebnisse mündeten in einem Paper, das als Titelgeschichte des international renommierten Fachmagazins „Nature“ erschien. „Es fühlte sich schon komisch an, plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Eigentlich wollte ich das gar nicht so gerne“, sagt Drost rückblickend. Eine Erfahrung war dabei jedoch besonders prägend: Er hat die Kommunikation der Wissenschaft in die Öffentlichkeit zu schätzen gelernt. Die kritischen Stimmen, die als Reaktion aus der Fachwelt kamen, spornten ihn außerdem an, das Thema bis zum Master und zu seiner Dissertation in Halle weiterzuverfolgen.

Das King's College, vor dem Hajk-Georg Drost sitzt, ist das Wahrzeichen der Universität Cambridge.
Das King's College, vor dem Hajk-Georg Drost sitzt, ist das Wahrzeichen der Universität Cambridge. (Foto: Wolf Drost)

Sowohl für die Bachelorarbeit 2013, als auch für seine Promotion 2017 erhielt der Nachwuchsforscher den SKWP-Forschungspreis der Universität Halle für exzellente wissenschaftliche Leistungen. Das erste Preisgeld, das 2013 einmalig auf 30.000 Euro dotiert war, half ihm während der Promotion 2015 einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in Cambridge zu finanzieren. „Und dort bekam ich das Angebot für meine jetzige Stelle. Da war ich bereits mitten in der Promotion und habe dann sieben Monate in Halle promoviert und parallel schon in Cambridge als Postdoc gearbeitet.“ Sowohl am Institut für Informatik in Halle, als auch am Sainsbury Institut erfuhr er dabei große Unterstützung von seinen Betreuern.

Viel Freizeit sei ihm während seiner Promotion nicht geblieben, gibt er zu und fährt fort: „Aber da ich mein Hobby, also die Wissenschaft, zum Beruf gemacht habe, habe ich das gerne in Kauf genommen.“ Die Freizeit, die ihm bleibt, nutzt er für Reisen. Eine weitere Leidenschaft sind antiquarische Fachbücher der Biologie aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. „Diese Originalliteratur sammle ich und baue mir eine kleine Privatbibliothek daraus auf. Außerdem habe ich in meiner Promotion versucht, die alten Ideen mit neuen Erkenntnissen zu verknüpfen.“

Von Halle nach Cambridge

Ganz so einfach war der Wechsel im Oktober 2015 von Halle nach Großbritannien jedoch nicht. „Ich hatte den bürokratischen Aufwand etwas unterschätzt. Mir blieben genau zwei Wochen Zeit, alles zu organisieren und das war reiner Wahnsinn.“ Am Ende dauerte es ein bisschen länger als gedacht, klappte aber. Nach einem halben Jahr hatte er sich eingelebt. Seine Heimat vermisst der Bioinformatiker schon ab und zu. „Die Lebensqualität ist in Halle besser und das Essen hier in Großbritannien, darüber brauchen wir nicht reden.“ Was ihn an Cambridge fasziniert ist, vor allem, dass die Menschen sehr kritisch sind und sich im intellektuellen Disput auseinandersetzen. Die wissenschaftlichen Diskussionen machen selbst vor dem Pub nicht Halt. „Zum Beispiel hat mir mal ein Historiker in der Kneipe von der Urbanisierung im fünfzehnten Jahrhundert erzählt. Das fand ich echt spannend“, berichtet er.

Wie es nächstes Jahr weitergeht, wenn seine Postdoc-Stelle endet? Das weiß Hajk-Georg Drost noch nicht hundertprozentig. „Ich bin gerade in Verhandlungen mit Cambridge, kann mir aber auch vorstellen, nach Deutschland zurückzukehren. Das hängt auch von Ausschreibungen und Projektanträgen ab.“ Im Hinblick auf die weitere Arbeit in Großbritannien bereitet ihm vor allem der Brexit Sorge. Denn noch steht nicht fest, ob und wie die Europäischen Kommission in der Forschung mit dem Land zusammenarbeiten wird. Bei allem, was noch bevorsteht, ist ihm eine Sache besonders wichtig. „Generell sollte man nicht so viel Angst haben und muss einfach mal ins kalte Wasser springen und schwimmen, mit dem Vertrauen, dass eine Insel kommt.“

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