Gipsabguss vom Schädel Immanuel Kants wiederentdeckt
Die Wiederentdeckung des Schädels passt ins Kant-Jahr 2024. Wo lag er und welche Bedeutung hat der Fund?
Claudia Steinicke: Er schlummerte in einer Vitrine mit verschiedenen Gipsabgüssen. Am Hinterkopf ist er mit einem Bleistiftschriftzug versehen: „Imm. Kant“. Neben einem Exemplar in der anatomischen Sammlung der Charité Berlin, bei dem jedoch der Unterkiefer fehlt, und einem an der Universität Tartu in Estland ist dies wahrscheinlich der einzig noch erhaltene Schädelabguss.
… von dem man hier nichts wusste?
In einer Publikation von Herrmann Welcker, der von 1876 bis 1894 Direktor des halleschen Anatomischen Institutes war, wurde der Gipsabguss bereits erwähnt. Die 1883 erschienene Schrift trägt den Titel „Schillers Schädel und Todtenmaske, nebst Mittheilungen über Schädel und Todtenmaske Kant's“. Das war übrigens eine geniale Arbeit, in der Welcker als erster formulierte, dass der Schiller-Schädel in der Fürstengruft zu Weimar „unächt“ sei. In der halleschen Sammlung geriet Kants Schädelabguss danach aber wohl zunächst in Vergessenheit.
Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass ein Abguss von Kants Schädel entstanden ist?
Im Jahr 1880 wurde das Grab von Kant geöffnet, da an seiner Grabstätte am Königsberger Dom eine neue Grabkapelle errichtet wurde. Bei dieser Gelegenheit entschloss man sich, seine Gebeine zu bergen und ein Schädelmodell anzufertigen. Das Ziel war „ein möglichst getreues Abbild des Schädels weiteren Kreisen vorlegen zu können und um vor allem noch fernere Forschungen möglich zu machen“, schrieb der Chirurg Fritz Bessel-Hagen in seiner Schrift „Die Grabstätte Immanuel Kants mit besonderer Rücksicht auf die Ausgrabung und Wiederbestattung seiner Gebeine im Jahre 1880“. 1881 erhielt Hermann Welcker in Halle den Abguss vom Stuckateur A. Meyke, der die Form damals in Königsberg angefertigt hatte.
Was hat Welcker daran interessiert?
Er hat insbesondere die Asymmetrien des Kantschädels untersucht – etwa das Nasenskelett mit einem „nach links abweichendem Nasenrücken, aber nach rechts abweichender Knorpelnase“. Welcker fand, dass Forscher bis dahin diese Asymmetrie, die man auch auf vorhandenen Porträts Kants erahnen kann, nicht gebührend gewürdigt hatten.
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