In England geboren, in Halle zuhause
„Eiserne Lady“ und „Eiserner Vorhang“ sind zwei wichtige Begriffe im Leben von Marjorie Willey: Hinter dem ersten steht Margaret Thatcher, einst Premierministerin in Großbritannien. Sie wurde für eine Wirtschaftspolitik bekannt, die in den 1980er Jahren auch viele gut ausgebildete Menschen arbeitslos machte. Um ein Haar wäre es Marjorie Willey, damals Absolventin eines Sprachenstudiums für Deutsch und Russisch an der University of Sheffield, auch so ergangen. Wäre da nicht der Tipp einer Freundin gewesen, dass man in der DDR dringend Englischlehrer suchte. Willey bewarb sich und kam so 24-jährig nach Halle, was damals ein nicht alltäglicher Umzug war. Führte er die junge Britin doch nicht nur in eine andere Stadt oder fremde Region. Mehr noch, er verpflanzte sie auf die andere Seite „Eisernen Vorhangs“, der die politischen Systeme, und damit auch die Menschen in Ost und West, rigoros voneinander trennte.
„Ich war jung und naiv. Und ich habe nicht lange darüber nachgedacht“, sagt Marjorie Willey heute, wenn sie sich an diese spannende Zeit in ihrem Leben erinnert. Die Arbeit am damaligen Sprachintensivzentrum der Universität Halle, wo sie anfangs eingesetzt war, hatte ihr von Anfang an sehr gut gefallen. „Natürlich habe ich den politischen Druck gespürt, der auf den Menschen in meiner Umgebung lastete. Aber davon war ich als Ausländerin nicht direkt betroffen“, sagt sie. Erschreckt haben sie eher der Dreck und die Umweltverschmutzung. „Im Nordosten Englands war es damals auch sehr schmutzig, aber hier war es noch viel schlimmer.“
Muttersprachler bereichern die Lehre
Eigentlich wollte Willey nur übergangsweise in der DDR bleiben. Dass daraus dann doch mehr werden sollte, war nicht geplant und hatte auch private Gründe. 1985 lernte sie beim Medizinerfasching an der Uni Halle ihren späteren Lebenspartner kennen. Irgendwann kam die Wende. Damit begann auch an der Uni ein neues Kapitel, das Willey aktiv mitgestalten konnte und wollte. 1991 kam sie als Lehrkraft für besondere Aufgaben an das Institut für Anglistik und Amerikanistik. Als solche war und ist sie für die reine Sprachausbildung der Studierenden zuständig.
Eine fundierte Sprachausbildung hält die in Nottingham aufgewachsene Tochter eines Lehrers und einer Kinderkrankenschwester für enorm wichtig. Ziel ist es, dass alle Studierenden die höchste Niveaustufe C2 – offizieller Titel: Niveau C2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen – erreichen. Vor allem der Umgang mit Muttersprachlern sei dabei von Vorteil. Aus diesem Grund gibt es am Institut für Anglistik und Amerikanistik noch zwei weitere Kollegen, die als native speakers die Ausbildung bereichern.
„Die Studierenden kommen inzwischen mit einem ziemlich guten Sprachniveau an die Uni“, sagt Willey. Jedoch, so sagt sie, sei deren Bereitschaft, selbst ins Ausland zu gehen, im Laufe der Zeit leider gesunken. „Früher wollten die Leute das unbedingt und durften nicht, heute können sie es und wollen es oft nicht mehr.“
"Die Stadt ist so schön geworden"
Mehr als eine Besucherin ist Marjorie Willey in England aber selbst nicht mehr. Denn nach so vielen Jahren, spätestens aber seit der Geburt ihres Sohnes im Jahr 1997 fühlt sie sich längst in Halle und der Region heimisch. „Die Stadt ist so schön geworden, leider sehen die Hallenser das oft nicht.“ Dies sei ihr erst kürzlich wieder klar geworden, als sie auf einer Tagung von Sprachlehrern mit einer Teilnehmerin aus Lateinamerika zusammentraf, die begeistert von Halle und zugleich erstaunt über die Sicht der Hallenser auf ihre Stadt war. „Ich bin inzwischen eine große Lokalpatriotin“, sagt Willey, die das Thema auch regelmäßig in ihren Sprachunterricht einbaut, etwa indem sie mit den Studenten über deren Lieblingsorte in Halle spricht. Sehr häufig hört sie dabei Antworten wie „Marktplatz, Peißnitz oder Domplatz“. Immer öfter wird aber auch der Steintor-Campus genannt, den auch Willey „besonders gelungen“ findet.
Und selbst, wenn ihr manchmal in Halle und Umgebung die von ihr innig geliebten englischen Landschaften fehlen, „einen endgültigen Weg zurück gibt es für mich spätestens seit dem 23. Juni vergangenen Jahres sowieso nicht mehr“, sagt sie. An diesem Tag beschlossen die Briten mehrheitlich den Ausstieg aus der Europäischen Union, den Brexit. Kurze Zeit nach dem britischen Referendum im Jahr 2016 beantragte Marjorie Willey die deutsche Staatsbürgerschaft. „Wegen Margaret Thatcher bin ich einst aus meiner Heimat weggegangen, wegen Theresa May werde ich nun auf keinen Fall mehr zurückkehren“, sagt sie.
Kommentare
Martin von Schilling am 09.10.2017 08:52
I had the great pleasure of working very closely together with Marjorie for three years. She is a great teacher and a true professional in the most positive sense. Also a wonderful colleague and friend. I still miss working with her.
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I. Black am 20.02.2018 16:49
I also worked as Lektorin in MLUni in Halle in 1987/8 along with 3 others from the UK and Marjorie kept us right there when we first arrived
Hello Marjorie! Good to see you here!
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Marjorie Willey am 02.03.2018 17:19
Is that you, Isabel? 1987 - seems like yesterday, eh?
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