Iranerin gewinnt Literaturpreis: "Im Deutschen fühle ich mich frei"
Als der Verein „Hilfe für ausländische Studierende“ (HauS) im letzten Jahr Studenten aufforderte, Texte über ihr Leben in Halle einzusenden, war Somaiyeh Mohammadi hochmotiviert. „Für mich war es eine tolle Möglichkeit, mit einem Text eine Spur zu hinterlassen. Meine ganz persönliche Spur“, sagt Somaiyeh Mohammadi. Sie beginnt einen Text zu schreiben. In den letzten Jahren hat sie viele Gedanken in Form von Gedichten in ihrem Notizbuch festgehalten. Trotz der vielen Zeilen kommt sie mit dem Text nicht voran und gerät in eine Schreibblockade. Sie verpasst den Einsendeschluss. Doch zufällig wird die Ausschreibung verlängert. Um ganze zwei Monate. Ihr Professor legt ihr daraufhin ans Herz, den Text unbedingt fertig zu stellen. Das tut sie auch, überzeugt die Jury und gewinnt den ersten Preis des Literaturwettbewerbs. „Als ich erfuhr, dass ich gewonnen habe, bin ich wie ein Kind in der Wohnung herumgesprungen. Ich bin unendlich glücklich darüber.“
Woher aber kommt das Interesse von Somaiyeh an der deutschen Sprache? Mit 19 Jahren begann sie Deutsch zu lernen. Sie liest Texte des iranischen Schriftstellers Sadegh Hedayat. Durch diesen Autor wird Somaiyeh auf Franz Kafka aufmerksam. Sie liest „Die Verwandlung“ auf Persisch, versteht jedoch nicht, was Kafka ihr sagen will. Daraufhin entscheidet sie sich, an der Universität von Teheran Deutsch als Übersetzung zu studieren. Nach dem Studium geht sie einen ungewöhnlichen Weg. Somaiyeh zieht nach Indien, um ihren Master in Germanistik zu absolvieren. „Während des Studiums in Indien vermehrte sich meine Liebe zur deutschen Sprache täglich. Im Deutschen fühle ich mich so frei. Ein Gefühl, welches ich nicht in Worte fassen kann.“
Auch ihre erste Begegnung mit Halle machte sie sprachlos. Sie war gerade erst angekommen und wollte schon wieder weg. Sie fühlte sich fremd und allein. „Zu Beginn habe ich kein Lächeln in den Gesichtern der Menschen gesehen. Für mich war die Stadt grau und kalt.“ Sie rief die Konrad-Adenauer-Stiftung an, über die sie ein Stipendium bezieht und sagte, sie wolle hier wieder weg. Doch nachdem sie ihre erste Wohnung in der Ludwig-Wucherer-Straße bezog, lernte sie die Stadt und ihre Menschen erst richtig kennen und lieben. „Halle ist für mich jetzt keine Heimat auf Zeit mehr. Ich fühle mich hier zu Hause und wünsche mir sehr, dass ich bleiben kann. Jetzt brauche ich die Menschen hier nicht mehr anzulächeln, um angelächelt zu werden. Ich bin zu Hause angekommen.“
Neben der Hauptgewinnerin Somaiyeh Mohammadi werden im Rahmen der Immatrikulationsfeier auch Thi Minh Hai Nguyen aus Vietnam und Despina Arampatzi aus Griechenland für ihre Texte ausgezeichnet. Der Sonderpreis des Vereins für Hallische Stadtgeschichte geht an Tamara Travnikova. Die Texte der Gewinner werden in einem Buch herausgebracht.
Die geplante zweisprachige Publikation mit allen Wettbewerbsbeiträgen wird voraussichtlich im Frühjahr 2016 im Universitätsverlag Halle-Wittenberg erscheinen. Weitere Informationen auf www.haus.uni-halle.de.