Kant-Forschung in sieben Sprachen
Jeden Montag besprechen die Philosophie-Professoren Atsushi Kido, Charles Feldhaus und Ericsson Coriolano gemeinsam mit Heiner F. Klemme und Doktoranden, Mitarbeitern und Master-Studierenden des Seminars aktuelle Forschungstexte. Ihre Debatten drehen sich nicht allein um Immanuel Kant, sie kehren aber immer wieder zu ihm zurück.
"In Halle kann ich diskutieren"
„Kant ist wie eine Wurzel für meine Philosophieforschung“, sagt Coriolano. Die Philosophen des deutschen Idealismus beschäftigen ihn zurzeit. „Auch, wenn ich zu Hegel oder Fichte arbeite, ist der Bezug auf Kant zu jeder Zeit wichtig. Bei ihm finde ich immer wieder neue Anregungen.“ An seiner Universität in Fortaleza, einer Großstadt im Nordosten Brasiliens, sei er als Kantforscher eher isoliert. „Aber hier in Halle kann ich jede Woche diskutieren“, so Coriolano.
„Daran teilzuhaben, wie sich Forscher aus verschiedenen Kulturen jeweils mit Kant auseinandersetzen - das ist jede Woche eine Bereicherung. Diese Dynamik eines Gesprächs lässt sich nicht über das Internet herstellen“, sagt Heiner F. Klemme. Als er zum Oktober 2014 an die Universität Halle berufen wurde, wechselten auch seine Gäste Ericsson Coriolano und Charles Feldhaus von der Universität Mainz in die Saalestadt. Atsushi Kido kam im April 2015 nach Halle. Für ein bis vier Semester sind sie nach Deutschland gekommen. Die Forschungsaufenthalte werden vom Deutschen Akademischen Austauschdienst und über Institutionen ihrer Heimatländer finanziert.
„Ich studiere das Leben“, sagt der Japaner Kido, wenn man ihn nach seiner Forschung fragt. „Mich beschäftigen ganz grundlegende Fragen: In welchem Verhältnis steht unser Bewusstsein zur Welt? Wie kann ich mir sicher sein, dass diese Welt keine Matrix ist?“ Seine letzte Veröffentlichung handelte von der Transzendentalen Dialektik, jetzt schreibt er über Kants Begriff der Seele. Der Brasilianer Feldhaus interessiert sich vor allem für die Debatte zwischen dem Vernunfttheoretiker Kant und dem die Begriffe der Anmut und der Würde betonenden Dichter und Philosophen Friedrich Schiller. Ein klassisches Thema und zugleich eine Diskussion von heute: „Es geht um Fragen der Moral, um Tugend, Neigung und Pflicht.“ Vier verschiedene Schillerhäuser und eine Kant-Tagung hat Feldhaus bereits besucht.
Neue Perspektiven auf Kant
Auch die Bibliothek des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der europäischen Aufklärung wird von den Gästen des Kant-Forums rege genutzt. Kant-Forschung hat in Halle Tradition: Philosophie-Professor Hans Vaihinger rief 1896 die Kant-Studien ins Leben und gründete zu Kants 100. Todestag 1904 die Kant-Gesellschaft. Sie war zeitweise die größte philosophische Gesellschaft der Welt. „Diese alte hallesche Tradition der Kant-Forschung möchte ich mit dem Immanuel-Kant-Forum wiederbeleben“, sagt Heiner F. Klemme.
Als Arbeitsstelle und internationales Begegnungszentrum hat der Professor für Geschichte der Philosophie das Forum etabliert. In sieben Sprachen werden Besucher der Website des Forums begrüßt. „Ich habe Interesse an neuen Perspektiven auf Kant und ich habe Spaß daran, mich mit Menschen, die sich für Kant interessieren, auszutauschen“, begründet der Forums-Gründer seinen Einsatz für die Internationalisierung des Seminars. Eine Vortragsreihe mit Gästen aus Edinburgh, aus Ontario und Singapur ist im Mai 2015 angelaufen. Zwei Kant-Tagungen in den Jahren 2016 und 2017 sind ebenfalls bereits geplant.
Kontakt: Prof. Dr. Heiner Klemme
Geschichte der Philosophie
Tel.: 0345 5524390
E-Mail schicken