Kirche statt Staatskanzlei: Reiner Haseloff spricht beim Uni-Gottesdienst
Haseloff, der zum Thema „Sturmböen“ (Matthäus 8, 23-27) sprechen soll, verrät auch gleich, dass sich seine Predigt noch auf einen Text aus früheren Tagen stützt. Aus Tagen, in denen er als Diakonats-Helfer in entfernter gelegenen Orten seiner Pfarrgemeinde noch Wortgottesdienste mit Kommunionsausteilung abhielt. Diese Predigt auf einem DIN-A4-Blatt habe er heute auch mitgebracht.
Doch Haseloff muss sich nicht an das Manuskript klammern. Er präsentiert Bilder, erzählt, dass er nach dem Mauerfall das Land der Bibel und den See Genezareth in Israel besucht habe, wo man am Westufer auch ein Museum eröffnet habe. „Vor rund 20 Jahren hat man aus dem See ein historisches Fischerboot geborgen, rund 2.000 Jahre alt. Es ist nur eine kleine Nuss-Schale, die auch als Jesusboot bezeichnet wird“, sagt Haseloff und kommt ins Schwärmen. „Wenn man auf den See blickt, dann ist das schon ein Stück Paradies.“ Doch wehe, wenn das Wetter umschlägt, stellt er jetzt den Bogen zum Bibeltext her. Denn mit so einer Nuss-Schale müssen wohl auch Jesus und seine Jünger herumgeschippert sein.
Haseloff macht eine Pause. Drei Sekunden ist Stille. „Rette uns“, sagt er. Als Ministerpräsident, auch als früherer Wirtschaftsminister, habe er diesen Satz oft gehört. „Rette uns! Wir brauchen Kredite. Es muss ‘ne Bürgschaft her. Uns droht die Insolvenz.“ Dieser Druck sei enorm. Haseloff spielt auch auf den aktuellen Fall des insolventen Fahrradbauers Mifa an, wo 520 Arbeitnehmer um ihren Job fürchten, ja Angst haben. Angst, wie jene Jünger im Sturm mit Jesus im Boot. Doch Angst sei nie ein guter Ratgeber.
„Wenn wir objektiv reflektieren, wird jeder in Deutschland sagen können: Was für ein Glück! Wir haben noch nie so gut gelebt wie heute, wir haben Frieden und einen hohen Lebensstandard. Wenn wir die Nachrichten im Fernsehen schauen, wirkt es fast so, als lebten wir auf einer Insel der Glückseligen“, so Haseloff. Kirchengemeinden, so Haseloff, sind unerlässlich, sie inspirierten, könnten wichtige Anstöße geben. Den Kirchen sei es zu verdanken, dass verbindliche ethische und moralische Werte in Deutschland verankert seien.
Ob es Haseloff leicht fällt oder nicht. Er zitiert an diesem Abend sogar Linken-Politiker Gregor Gysi, mit einem für ihn sehr wichtigen Satz: „Ich möchte mir eine Gesellschaft ohne Christen nicht vorstellen.“ Vertrauen in die christlichen Grundwerte seien für eine Gesellschaft unerlässlich. „Wenn es keine Bindung mehr zu den ursprünglichen Wurzeln unseres christlichen Menschenbildes gibt, sind viele Dinge auch in unserem Recht und unserer Verfassung nicht erklärbar“, so der 63-Jährige, der seiner Gemeinde auch ein wenig Gott-Vertrauen an diesem Abend verordnet und sich mit Matthäus 28 verabschiedet: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Tenor Stephan Kelm und Florian Zschucke an der Orgel. Der Gottesdienst mit Ministerpräsident Haseloff bildete den Abschluss der Theologischen Tage, die vom 18. bis 19. Januar von der Theologischen Fakultät der MLU veranstaltet wurden.
Der Universitätsgottesdienst zum Semesterschluss mit der Predigt „Regenbogen“ findet am Mittwoch, 1. Februar 2017, um 18.00 Uhr in der Moritzkirche, An der Moritzkirche 8, in 06108 Halle (Saale) statt.