Laufsteg der Eitelkeiten
Probleme beim Suchen geeigneter Arbeitsplätze? Kennen sie nicht! Wie Hunde streunen sie durch das Bibliotheksrevier, um gezielt Duftmarken aus Büchern, Schreibblöcken und Stiften zu setzen: „Mein Platz, hier bin ich, nur ich!“ Währenddessen kreisen andere – Geiern gleich – um die gebauten Nester, auf die Möglichkeit wartend, in lautes Gezeter ausbrechen zu können. Die Geräuschkulisse zwischen Bücherregalen und Arbeitstischen ist so reichhaltig, wie die eines Regenwalds bei Nacht. Das Schmatzen kaugummikauender Lippen macht dem Geschnatter der Enten aus der ersten Etage Konkurrenz.
Ohnehin schafft es niemand, länger als 7:58 Minuten ruhig zu arbeiten. Spätestens nach dieser Zeit vibrieren Smartphones, leuchten Chats auf oder der nächste Bibliotheksnutzer durchkreuzt das Revier: der gefräßige Fuchs. Es ist eine Untugend, den nach Wissen dürstenden Köpfen Wasser zu versagen, aber muss das gefräßige Wesen „Student“ denn kurz nach seiner Ankunft mit Gummibärchentüten und Schokoriegelverpackungen möglichst langsam und betont vorsichtig rascheln? Der völlige Kontrollverlust setzt ein: Zucker, Fett und Kohlehydrate sollen die Unfähigkeit zum Lernen kompensieren. Alles verschwindet in ihren Schlünden.
Zeit für den Auftritt der diebischen Elster. Auch wenn der Bücherbestand der Bibliotheken nicht gerade ausschöpfend ist, so pickt sich die Elster dennoch die Perlen heraus und lässt sie verschwinden. Heimtückisch nutzt sie die Selbstverliebtheit des restlichen Tierreiches und stellt Brecht zu Mann – ein folgenschwerer Fall von verlorenem Wissen!
Ich frage mich nun, warum der doch so kluge Student seine Menschlichkeit vergisst und seine Artgenossen derart stört, dass selbst aus der weisesten Eule eine meckernde Ziege wird.