Lifestyle anno dazumal: Studierende schreiben für Ausstellung in Weimar
Das „Journal des Luxus und der Moden“ war eine bedeutende Lifestyle-Zeitschrift, die von 1786 bis 1827 vom Weimarer Verleger Friedrich Justin Bertuch in Zusammenarbeit mit dem Künstler Georg Melchior Kraus herausgegeben wurde. Sie zeigte und beschrieb nicht nur Kleidung, sondern auch Wohnungseinrichtungen, Pferdefuhrwerke oder Nippes – und nicht zuletzt das, was Bertuch „geistige Mode“ nannte, also Trends wie die neu aufkommende Lesewut. In dem von der Literaturwissenschaftlerin Christiane Holm geleiteten und in Kooperation mit der Klassik Stiftung Weimar realisierten Seminar „Modezeitschriften um 1800“ haben sich MLU-Studierende mit sieben debattierten Phänomenen befasst. Ihre dabei entstandenen Essays sind Bestandteil der Ausstellung „klassisch konsumieren. Bertuch und das Journal des Luxus und der Moden“ in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Klassik Stiftung. Sie wurden von den Studierenden dort präsentiert und sind als Mitnahme-Texte integriert, ergänzend wurden Postkarten produziert.
Die Weimarer Ausstellung konzentriere sich auf die einst im Journal veröffentlichten Bilder und deren Beschreibungen, erklärt Holm. „Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive ist jedoch auch die Erzählfreude wichtig“, sagt sie. „Das betrifft ebenso die rätselhaften Gründungsmythen von neuen Moden als auch Fallbeispiele von Fashion Victims, aber auch den Versuch, politische Zeitgeschichte anders zu erzählen.“ Die Essays der Studierenden befassen sich zum Beispiel mit einer frühen Form des Korsetts, der Schnürbrust, die in Deutschland aus der Mode zu kommen drohte – im Journal-Text von 1791 geriet die Debatte zu einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürworterinnen des Accessoires. Neben der Kleidung war auch der neu aufkommende Trend von Zimmerpflanzen eine Journalgeschichte wert, verbunden mit einer medizinischen Warnung vor dem „Luxus der Zimmer-Gärten“ und deren gesundheitlichen Folgen bis hin zu Todesfällen durch die Duftstoffe bestimmter Pflanzen insbesondere in den Schlafzimmern. 1789 ging es zudem um Haustiere und deren modisches Potential. Um die Affen Friedrich des Großen oder Zikaden, die vornehme Damen in China in den Haaren trugen, um dem Zirpen zu lauschen. Beide Moden sollen schnell vorbei gewesen sein. Entsprechend warb das Journal für einen „besonnenen Konsum“ in allen Lebensbereichen. Stichwort Besonnenheit: Eine andere Mode schien regelrecht in eine Sucht ausgeartet zu sein. Es war das Spiel mit dem „Joujou de Normandie“, heute noch bekannt als Jo-Jo.
Christiane Holm ist Vorstandsmitglied des Zentrums für Klassikforschung der Klassik Stiftung Weimar und war wissenschaftliche Beraterin der Gesamtausstellung. In den vergangenen Jahren hatte sie bereits Projekte mit Studierenden im Klopstock-Haus in Quedlinburg oder im Kleist-Museum Frankfurt (Oder) organisiert.
Die Ausstellung
„klassisch konsumieren. Bertuch und das Journal des Luxus und der Moden“
Sonderausstellung der Klassik Stiftung Weimar bis 15. Januar 2024
Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek
Platz der Demokratie 4
99423 Weimar
Die Ausstellung ist auch virtuell verfügbar: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/klassisch-konsumieren
Die Essays der Studierenden: https://publikationen.klassik-stiftung.de/receive/ksw_mods_00000685
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