Manfred Lemmers Verdienst um unser Mittelalterbild
Wer war dieses Kaiserpaar? Als Kunigunde, eine um 975 geborene Tochter des Grafen Siegfried I. von Luxemburg, um das Jahr 1000 heiratete, war ihr Gatte Herzog Heinrich IV. von Bayern, ein Liudolfinger aus einer Nebenlinie der Ottonen. Urenkel Heinrichs I., wurde er erst 1014 in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt und hieß fortan Heinrich II. Da das Paar kinderlos blieb, war er der letzte Kaiser der Ottonen. Was seitens der Kirche dazu führte, das Zusammenleben als „Josephsehe“ zu preisen, findet sich in Ebernands Dichtung als zweifaches Keuschheitsgelübde in der Hochzeitsnacht.
Im Jahr 1007 stifteten Heinrich und Kunigunde das Bistum Bamberg; überdies gingen sie als Stifter mehrerer Bamberger Kirchen und Klöster in die Kulturgeschichte ein. Nach Heinrichs Tod 1024 gründete die Kaiserinwitwe das Benediktinerinnenkloster Kaufungen, wo sie 1033 starb. Im Dom zu Bamberg erinnert seit 1513 das von Tilman Riemenschneider, einem der bedeutendsten deutschen Künstler der beginnenden Neuzeit, geschaffene marmorne Grabdenkmal an das heilige Herrscherpaar.
Die Heiligsprechung von Kunigunde durch Papst Innozenz III. im Jahr 1200 – Heinrich II. erhob Papst Eugen III. bereits 1146 zum Heiligen – dürfte ein nicht unwesentlicher Anlass für jene Dichtung des Erfurter Stadtbürgers Ebernand (über den man wenig weiß) gewesen sein. Als Anreger für das Epos über Heinrich und Kunigunde gilt zudem der Bamberger Küster Reimbote, ein Freund des Dichters, der später im Zisterzienserkloster Georgenthal bei Gotha lebte.
Der Dichter selbst trat, ungeachtet des großen Gegenstands, sehr bescheiden auf. So konnte der Glanz der Herrscher noch herrlicher leuchten, und er ersuchte sie demütig „um Fürbitte bei Gott für sein Seelenheil“. Dreh- und Angelpunkt seiner Dichtung waren Gottesfurcht und christlicher Glaube samt daraus erwachsender wunderbarer Erlebnisse, Handlungen, Träume und Wunder, die „diesen auserwählten Gefäßen göttlichen Lichts“ zu Lebzeiten widerfuhren.
So begegneten Heinrich in einem Traum die Rätselworte „post sex“ – die er erst Jahre später als Hinweis auf seine Kaiserkrönung begriff. Auch dass der Kaiser für etliche, teils von den Ungarn verwüstete Bistümer Gutes bewirkte, wird dargestellt: Die Namen Hildesheim, Magdeburg, Merseburg, Meißen und Straßburg werden erwähnt. Breiten Raum nehmen die Heerzüge Heinrichs gegen die Wenden, Polen, Böhmen und Mähren ein, die er mit Hilfe von St. Adrians Schwert gewann. Man erfährt, wie die Fürsten eine Frau für Heinrich suchten und Kunigunde fanden; Einzelheiten über das gottgefällige Leben der beiden, Intrigen des Teufels und das Gottesurteil mit dem Pflugscharwunder werden mitgeteilt.
Die Illustrationen sind in sehr guter Qualität wiedergegebene, kolorierte Holzschnitte aus der Fassung der Legende von Nonnosus Stettfelder (1511). Vermutlich stammen sie von dem Nürnberger Wolf Traut, Werkstatt-Mitarbeiter Albrecht Dürers, von dem es auch Holzschnitte im Halleschen Heiltumsbuch (1520) gibt. Dies alles und mehr malt ein buntes Bild mittelalterlichen Lebens und der Vorstellungswelt jener Zeit, das dank der neuen Übertragung für jedermann lesbar ist.
Ebernand von Erfurt: Die Kaiserlegende von Heinrich und Kunigunde. Aus dem Mittelhochdeutschen übertragen von Manfred Lemmer. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Kurt Gärtner, 137 Seiten, 13 meist farbige Abbildungen, 17 Euro, Sandersdorf-Brehna 2012, ISBN 978-3-940684-19-6