National wertvoll: Auzoux-Pferd in neuem Glanz
Die Geschichte des Pferdemodells an der Universität geht auf die Weltausstellung 1867 in Paris zurück: Dort wurde es gezeigt und vermutlich, so der Leiter des ZNS Dr. Frank Steinheimer, auch von halleschen Forschern gesehen. Sieben Jahre später kaufte es die Universität für 3.000 Francs und ließ es nach Halle überführen. „Der Kaufpreis entspricht dem Jahresgehalt eines Ministerialbeamten aus der Zeit“, sagte Steinheimer am Freitagabend im gut gefüllten Hörsaal des ZNS. Seit der Überführung im Jahr 1874 war das Modell im Besitz der Universität und in der Lehre im Einsatz. Weltweit ist laut Steinheimer nur noch ein weiteres aus der gleichen Produktionsserie bekannt, das allerdings in Privatbesitz und in einem deutlich schlechteren Zustand sei.
Das 200 Kilogramm schwere Modell zeigt ein lebensgroßes Pferd in erstaunlicher Detailtiefe: Auf den einzelnen Organen und Muskelpartien sind selbst kleine Blutgefäße zu sehen. Es besteht aus über 100 Pappmaché-Teilen, die durch Metallstifte und -scharniere zusammengesetzt werden können. Dazu sind 3.700 Zettelchen mit Beschreibungen an den einzelnen Teilen angebracht. Das Modell ist so gebaut, dass alle Organe, Muskeln und weitere Skelett-Teile perfekt ineinanderpassen. „Mich fasziniert die dreidimensionale Denkweise der Bauer“, sagte Steinheimer. Das Pferdemodell sei in einer Zeit ohne Gefrierhäuser entstanden. Langwierige Beobachtungsarbeiten an echten Pferden seien nicht möglich gewesen, weil die Zersetzung der feinen Gewebeteile bereits nach 24 Stunden einsetze.
Ursprünglich war das Auzoux-Pferd, das 2012 in die Liste der national wertvollen Kulturgüter aufgenommen wurde, im Museum für Haustierkunde „Julius Kühn“ untergebracht. 2020 folgte der Umzug in das Hauptgebäude des ZNS am Domplatz. Dort wurde es von einem Team aus Restauratorinnen und Restauratoren um Katarzyna Cholewinska auseinandergenommen, teilweise restauriert und vollständig konserviert. Gefördert wurde die Arbeit durch die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts und die Ernst von Siemens Kunststiftung. Am Freitagabend wurde das Auzoux-Pferd nun im ZNS vor Publikum aufgebaut. Der Tierarzt Jens Thielebein von der MLU kommentierte während des Aufbaus die einzelnen Teile mit allerlei Fakten zur Anatomie des Pferdes.
Das Pferdemodell wird übrigens nicht nur unter optimalen Bedingungen am Domplatz 4 zu sehen sein. Während der Arbeiten an ihm wurden auch 3D-Aufnahmen von allen Einzelteilen erstellt, die künftig frei zugänglich im Internet vorgestellt werden.
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